Kaeltezone
Mannes geben konnten.«
»Nein, sie haben nichts gefunden. Irgendjemand hatte eine Radkappe geklaut, aber sonst nichts.«
»Da vor dem Busbahnhof?«, fragte Sigurður Óli.
»Das glaubten sie.«
»Es hat also eine Radkappe gefehlt?«
»Ja.«
»Was ist aus dem Auto geworden?«
»Ich habe es verkauft. Ich brauchte Geld. Ich hab nie viel Geld besessen.«
Sie konnte sich an das Autokennzeichen erinnern und erwähnte es geistesabwesend. Sigurður Óli notierte es sich. Erlendur gab ihm ein Zeichen, sie standen auf und bedankten sich. Die Frau blieb sitzen. Erlendur kam sie ungemein bemitleidenswert vor.
»Woher stammten diese Maschinen, die er verkauft hat?«, fragte Erlendur, nur um irgendetwas zu sagen.
»Die Landmaschinen? Die kamen aus Russland und aus Ostdeutschland. Sie waren seiner Meinung nach nicht so gut wie die amerikanischen, aber sie waren eben viel billiger.«
Erlendur war sich nicht sicher, was Sindri Snær von ihm wollte. Der Sohn hatte keine Ähnlichkeit mit seiner Schwester Eva, die der Meinung war, dass Erlendur nicht hartnäckig genug darauf bestanden hatte, mit seinen Kindern in Kontakt bleiben zu dürfen. Nur weil ihre Mutter beständig schlecht über ihn redete, hatten sie überhaupt gewusst, dass er existierte. Als Eva herangewachsen war, fand sie den Weg zu ihrem Vater und ließ ihren Zorn schonungslos an ihm aus. Sindri Snær war offensichtlich nicht in der gleichen Absicht gekommen, denn er hackte nicht auf Erlendur herum, dass er die Familie zerstört hatte. Er machte ihm keine Vorwürfe, weil er kein Interesse an Eva Lind und ihm gezeigt hatte, als sie klein waren und glaubten, dass ihr Vater ein schlechter Mensch war, weil er sie verlassen hatte.
Als Erlendur nach Hause kam, kochte Sindri gerade Spaghetti. Er hatte die Küche aufgeräumt, was bedeutete, dass er einige leere Verpackungen von Mikrowellengerichten weggeworfen, ein paar Gabeln gespült und die Kaffeemaschine und deren nähere Umgebung gesäubert hatte. Erlendur ging ins Wohnzimmer und schaute sich die Nachrichten an. Die Knochen im Kleifarvatn waren an die fünfte Stelle gerückt. Die Polizei hatte nichts von dem russischen Gerät verlautbaren lassen.
Schweigend saßen sie in der Küche und aßen Spaghetti. Erlendur zerkleinerte sie mit der Gabel und gab Butter dazu, Sindri spitzte die Lippen und sog sie schlürfend mit Ketchup ein. Erlendur fragte, wie es seiner Mutter ginge, aber Sindri entgegnete, nichts von ihr gehört zu haben, seit er in die Stadt gekommen war. Während sie aßen, lief im Wohnzimmer der Fernseher. Inzwischen hatte eine Talkshow begonnen, in der ein Popstar sich über seine Erfolge ausließ.
»Ich habe von Eva letztes Jahr zu Silvester erfahren, dass du einen Bruder gehabt hast, der gestorben ist«, sagte Sindri plötzlich und wischte sich den Mund mit einem Blatt von der Küchenrolle ab.
»Das stimmt«, sagte Erlendur nach einigem Nachdenken. Darauf war er nicht gefasst gewesen.
»Eva sagte, dass es großen Einfluss auf dich gehabt hat.«
»Das stimmt.«
»Und ein bisschen erklärt, wie du bist.«
»Wie ich bin?«, sagte Erlendur. »Ich weiß nicht, wie ich bin. Eva auch nicht!«
Sie aßen weiter. Sindri fuhr fort, die Spaghetti schlürfend aufzusaugen, während Erlendur sich damit abmühte, die glitschigen Nudeln auf der Gabel zu halten. Er nahm sich vor, beim nächsten Einkauf Haferflocken und gesäuerte Sülzwurst zu besorgen.
»Es ist nicht meine Schuld«, verkündete Sindri.
»Was?«
»Dass ich nicht weiß, wer du bist.«
»Nein«, sagte Erlendur, »das ist nicht deine Schuld.«
Sie aßen schweigend weiter, bis Sindri die Gabel niederlegte und sich wieder mit dem Küchenpapier über den Mund wischte. Er stand auf, nahm sich einen großen Becher, füllte ihn unter dem Wasserhahn und setzte sich wieder an den Tisch.
»Sie hat gesagt, dass er nie gefunden worden ist.«
»Ja, das stimmt, er wurde nie gefunden«, sagte Erlendur.
»Also liegt er immer noch da oben in den Bergen?«
Erlendur hörte auf zu essen und legte die Gabel zur Seite. »Davon gehe ich aus, ja«, sagte er und schaute seinem Sohn in die Augen. »Wieso fragst du danach?«
»Suchst du manchmal nach ihm?«
»Suche ich nach ihm?«
»Suchst du nicht immer noch nach ihm?«
»Was willst du von mir, Sindri?«, fragte Erlendur.
»Ich habe da in den Ostfjorden gearbeitet, in Eskifjörður. Sie wussten nicht, dass wir …«, Sindri zögerte, bis er das richtige Wort fand, »… dass wir uns kennen. Nachdem Eva mir
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