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Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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kam. Die Haustür stand offen, und er rannte in die Wohnung und zu ihrem Zimmer, wo ein heilloses Chaos herrschte. Bücher, Zeitschriften, Decken lagen wild durcheinander auf dem Fußboden, der Schreibtisch war umgekippt worden, und das Bett lag auf der Seite. Nichts war verschont geblieben, einiges kaputtgegangen. Er trat gegen die Schreibmaschine, die auf den Boden gefallen war.
    Dann rannte er wieder los, diesmal in Richtung Stasizentrale. Als er dort eintraf, fiel ihm plötzlich ein, dass er nicht einmal wusste, wie der Mann mit dem Schnauzbart hieß, und im Anmelderaum wollte ihn niemand verstehen. Er bat darum, in den Gang gehen und den Mann selbst suchen zu dürfen, doch der Stasibeamte schüttelte den Kopf. Er warf sich gegen die Tür, die zu diesem Korridor führte, aber sie war verschlossen. Er schrie nach Lothar. Der Mann in der Anmeldung war hinter dem Tisch hervorgetreten. Er hatte um Verstärkung gebeten, und drei Männer tauchten auf, die ihn von der Tür wegzogen. Im gleichen Augenblick öffnete sie sich, und der Schnauzbart betrat den Anmelderaum.
    »Was habt ihr mit ihr gemacht?«, brüllte er den Mann an. »Lasst mich zu ihr!« Und er schrie in den Gang hinein: »Ilona! Ilona!«
    Der Schnauzbart warf die Tür hinter sich ins Schloss und bellte den anderen Männern Befehle zu. Sie packten ihn und setzten ihn auf die Straße. Er hämmerte gegen die schwere Außentür und rief nach Ilona, aber es führte zu nichts. Er war seiner Sinne nicht mehr mächtig. Er war überzeugt davon, dass sie Ilona in diesem Gebäude festhielten. Er musste sie sehen, er musste ihr zu Hilfe kommen, er musste sie da herausholen. Er war bereit, alles dafür zu tun. Seine Verzweiflung war grenzenlos.
    Da fiel ihm auf einmal ein, dass er frühmorgens Lothar in der Universität begegnet war. Er rannte los. Er erwischte eine Straßenbahn, die in Richtung Universität fuhr. Vor der Universität sprang er während der Fahrt ab, suchte nach Lothar und fand ihn schließlich ganz allein an einem Tisch in der Kaffeestube. Nur wenige Leute waren dort, und er setzte sich keuchend und schnaufend zu Lothar an den Tisch, das Gesicht feuerrot vor Anstrengung, Sorge und Angst.
    »Stimmt was nicht?«, fragte Lothar.
    »Ich tu alles für dich, für euch, wenn ihr sie freilasst.«
    Lothar schaute ihn lange an und schien mit wissenschaftlichem Interesse seine Qualen zu studieren.
    »Wer ist diese Sie?«, fragte er dann.
    »Ilona, du weißt ganz genau, von wem ich spreche. Ich tu alles, was ihr wollt, wenn ihr sie freilasst.«
    »Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wovon du redest«, sagte Lothar.
    »Ihr habt heute Mittag Ilona verhaftet.«
    »Wir?«, fragte Lothar. »Wer sind denn ›wir‹?«
    »Die Stasi«, sagte er. »Ilona ist verhaftet worden. Karl war bei ihr, als sie gekommen sind. Kannst du nicht mit ihnen reden? Kannst du ihnen nicht sagen, dass ich alles, alles für sie mache, wenn sie Ilona freilassen?«
    »Ich denke eher, dass du jetzt völlig uninteressant für sie bist«, sagte Lothar.
    »Hilf mir doch«, sagte er. »Kannst du nicht mit denen reden?«
    »Wenn sie festgenommen worden ist, kann ich leider gar nichts mehr tun. Dann ist es zu spät. Leider.«
    »Was kann ich tun?«, sagte er mit tränenerstickter Stimme. »Sag mir doch, was ich tun kann.«
    Lothar betrachtete ihn lange.
    »Geh nach Hause«, sagte er, »geh in die Poechestraße und hoff das Beste.«
    »Was bist du bloß für ein Mensch?«, sagte er und spürte, wie der Zorn wieder in ihm hochstieg. »Was bist du für ein teuflischer Mensch? Was bringt dich dazu, dich wie ein Scheusal zu verhalten, was ist das eigentlich? Woher kommen diese Machtgier und die Menschenverachtung, die Bösartigkeit und Niedertracht?«
    Lothar blickte sich um und sah nur ein paar Gestalten, die an den anderen Tischen saßen. Dann lächelte er.
    »Leute, die mit dem Feuer spielen, können sich verbrennen, aber sie sind immer wieder gleichermaßen erstaunt, wenn es passiert. Immer sind sie verflucht unschuldig und erstaunt, wenn sie sich verbrennen.«
    Lothar stand auf und beugte sich zu ihm hinunter.
    »Geh nach Hause«, sagte er. »Hoff das Beste. Ich werde mit ihnen reden, aber ich kann nichts versprechen.«
    Dann schlenderte Lothar so gelassen zum Ausgang, als ginge ihn nichts von alledem etwas an. Er blieb zurück und schlug die Hände vors Gesicht. Seine Gedanken waren unablässig bei Ilona; in seiner Verzweiflung begann er, sich harmlose Szenarien und Erklärungen einzureden. Dass sie nur

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