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Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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diese Aufnahmen gemacht?«
    »Nein, selbstverständlich kennst du diese Leute nicht«, sagte Lothar. »Nur die schöne, schöne Ilona. Die kennst du. Kennst sie sogar besser als viele andere. Kennst sie sogar besser als Hannes, dein Freund.«
    Er wusste nicht, worauf Lothar hinauswollte. Er blickte hinüber zu dem Mann mit dem Schnauzbart und schaute anschließend auf den Gang, wo die Stahltür war. An ihr befand sich ein kleiner Spion mit einer Klappe davor. Er überlegte, ob jemand drinnen war. Ob sie jemanden verhaftet hatten. Er wollte raus aus diesem Büro, um jeden Preis. Er fühlte sich wie ein in die Enge gedrängtes Tier, das in Panik nach einem Fluchtweg sucht.
    »Wollt ihr, dass ich nicht mehr zu solchen Versammlungen gehe?«, fragte er zögernd. »Kein Problem. Auf vielen bin ich gar nicht gewesen.«
    Er starrte hinaus auf die Stahltür. Seine Angst war in diesem Augenblick stärker als alles andere. Er hatte sofort einen Rückzieher gemacht, hatte Besserung gelobt, auch wenn er nicht genau wusste, was er verbrochen hatte, was er tun konnte, um ihnen zu Gefallen zu sein. Er war bereit, alles zu tun, nur um aus diesem Büro herauszukommen.
    »Nicht mehr hingehen?«, sagte der Schnauzbart. »Auf gar keinen Fall. Niemand verlangt von dir, damit aufzuhören. Ganz im Gegenteil. Wir hätten sehr gern, wenn du weitere solcher Treffen besuchst. Die müssen ja sehr interessant sein. Was bezweckt man mit diesen Treffen?«
    »Nichts«, sagte er und spürte, wie schwierig es war, mutig zu sein. Das konnten sie ihm bestimmt ansehen. »Niemand bezweckt etwas damit. Wir reden über das Studium. Über Musik und Bücher und alles Mögliche.«
    Der Schnauzbart grinste. Der wusste wohl ganz genau, wie Angst aussah. Und seine Angst musste ihm ins Gesicht geschrieben stehen. Er war auch noch nie ein geschickter Lügner gewesen.
    »Was hast du da über Hannes gesagt?«, fragte er zögernd, indem er zu Lothar hinüberblickte. »Dass ich Ilona besser als Hannes kenne? Was meinst du damit?«
    »Hast du das nicht gewusst?«, sagte Lothar mit gespielter Verwunderung. »Die beiden waren zusammen, genau wie du und Ilona jetzt. Bevor du aufgetaucht bist. Hat sie dir nichts davon erzählt?«
    Er schwieg und starrte Lothar an.
    »Warum sie dir wohl nichts davon erzählt hat?«, fuhr Lothar mit demselben scheinheiligen Tonfall der Verwunderung fort. »Sie scheint ganz besonders auf Isländer zu stehen. Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, dass Hannes ihr nicht helfen konnte.«
    »Helfen konnte?«
    »Sie möchte irgendeinen von euch heiraten, um nach Island ausreisen zu können«, sagte Lothar. »Mit Hannes hat es nicht geklappt. Vielleicht kannst du ihr helfen. Sie wollte schon immer aus Ungarn raus. Hat sie dir das nie gesagt? Sie hat große Anstrengungen unternommen, um rauszukommen.«
    »Nimm Platz«, sagte der Schnauzbärtige und steckte sich die nächste Zigarette an.
    »Ich habe eigentlich gar keine Zeit«, sagte er und versuchte, sich einen Ruck zu geben. »Ich muss weiter. Vielen Dank, dass ihr mir das gesagt habt. Wir sprechen uns später, Lothar.«
    Er ging zögernd ein paar Schritte zur Tür. Der Mann mit dem Schnauzbart wechselte einen Blick mit Lothar, der mit den Achseln zuckte.
    »Setz dich, du dämlicher Idiot!«, brüllte der Mann und sprang hoch.
    Er blieb in der Tür stehen, als hätte er einen Schlag bekommen, und drehte sich um.
    »Wir dulden keine antikommunistische Unterwanderung«, brüllte der Schnauzbärtige ihn an. »Und erst recht nicht von irgendwelchen verfluchten Ausländern, die unter falscher Flagge segeln, um hier zu studieren, so wie du. Setz dich, du verdammter Idiot! Mach die Tür zu und setz dich!«
    Er schloss die Tür, ging zum Schreibtisch und setzte sich auf einen Stuhl, der davor stand.
    »Jetzt hast du ihn wütend gemacht«, sagte Lothar kopfschüttelnd.

    Er sehnte sich danach, nach Island zurückzukehren und alles zu vergessen. Er beneidete Hannes darum, diesem Albtraum entronnen zu sein. Das war das Erste, was er dachte, als sie ihm endlich gestatteten, zu gehen. Sie hatten ihm verboten, das Land zu verlassen. Er musste noch am gleichen Tag seinen Pass abliefern. Dann dachte er an Ilona. Er wusste, dass er sie nie verlassen könnte, und als die Angst sich etwas gelegt hatte, wollte er das auch nicht. Er war nicht imstande, Ilona zu verlassen. Mit Ilona hatten sie ihn unter Druck gesetzt und ihm gedroht. Falls er nicht nach ihrer Pfeife tanzte, könnte ihr etwas zustoßen. Die Drohung war

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