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Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Titel: Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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hinunterzulaufen begann, und sprach kein Wort.
    Fünf Jahre lang hatte er nun ungeduldig das Kommando über die Martin Luther geführt, ein langes und niedriges Scheusal von einem Schiff, das bis zu seinem endgültigen Stillstand dazu verurteilt war, über die Meere der ganzen Welt zu knarren. Von Pflichtgefühl beseelt, hatte er unter der unverläßlichen Kühlapparatur gelitten, die schon eine Woche nach Verlassen des Heimathafens ein Verfaulen und Ranzigwerden der Lebensmittel herbeiführte; unter der elektrischen Beleuchtung, die allnächtlich trübe wurde und flackerte; unter dem Niederschlag des Dampfes, der an den Kabinenschotten herablief, und unter den Küchenschaben, die auf diesen einherstolzierten; unter der irreführenden Steuerung, die das Schiff im Hafen von Sydney gefährliche Kreise beschreiben ließ, und unter den mißvergnügten Matrosen, die, von einem Dutzend Kapitänen besserer Schiffe abgelehnt, allmorgendlich händelsüchtig auf die Brücke kamen und ihren Landurlaub gewöhnlich in Handschellen beendeten. Doch die Klagen, die, noch heiß von Empörung, aus seiner Feder flössen, wie er da im Zwinger seiner Kabine, in der Abgeschiedenheit einer anderen Hemisphäre gesessen hatte, erfroren und erstarben in der Londoner Luft: er wußte, die Pole Star Line erwartete von ihren Kapitänen, daß sie sich in ehrenvollem Schweigen aufrieben.
    «Ich war vielleicht etwas überarbeitet», murmelte er hoffnungsvoll. «Die Hitze, Sir Angus...»
    «Wir setzen nicht voraus, daß unsere Kapitäne, denen Schiffe und das Leben von deren Besatzung in tropischen Gewässern anvertraut sind, wie die Leiterinnen einer Picknickpartie der Hitze erliegen.»
    Ebbs erhob sich. Er war wenigstens imstande, wie ein Kapitän der Britischen Handelsmarine um seine Entlassung einzukommen.
    «Sir Angus», sagte er voll Würde. «Fünfundzwanzig Jahre meines Lebens habe ich dem Dienste dieser Gesellschaft gewidmet - seit ich mit sechzehn Kadett, und das, wie ich wohl sagen kann, auf einem weitaus besseren Schiff als die Martin Luther, war. Ich bin stets im Interesse der Gesellschaft meinen Pflichten strikt nachgekommen, wie dies vor mir schon mein Vater und mein Großvater getan haben. Ich hatte mich der Hoffnung hingegeben, daß mit der Zeit mein Einsatz seine angemessene Belohnung finden würde, doch ich muß erkennen, daß ich mich geirrt habe. Da Sie meine Dienste nicht länger beanspruchen, möchte ich mich von Ihnen verabschieden, Sir.» Mit bescheidenem Trotz setzte er seinen Hut wieder auf. «Ich will mir nur selber einen Posten suchen. Wie und wo, habe ich nicht die leiseste Idee, doch zumindest wird er anders sein als der bei der Pole-Star-Gesellschaft. Denn diese ist, wie ich Ihnen erklären möchte, Sir Angus», setzte er noch hinzu, wobei er ein wenig über sich selbst erschrak, «die größte Räuberbande zu Wasser seit den Zeiten Käpt'n Kidds. Womit ich mich empfehle.»
    «Kapitän Ebbs», sagte McWhirrey geduldig. «Sie führen sich wohl manchmal wie ein gottverdammter Narr auf.»
    Ebbs hielt inne.
    «Ihre Entlassung steht gar nicht zur Diskussion. Ich habe Sie heute hergebeten, um Sie zu befördern.» Er deutete mit seinem Bleistift auf ein Rahmengestell an der Wand, in der Art eines Bahnhoffahrplans, das die tägliche Position der Pole-Star-Flotte anzeigte. In der einen Rubrik waren die schnellen weißen Passagierdampfer vermerkt, deren Titel wie beim Hochadel erblich waren, deren Stapellauf sich so festlich abspielte wie eine Nobelhochzeit und deren Route in der Times unterhalb der Börsennachrichten notiert wurde; in der anderen standen die fünfzig abgerackerten unbekannten Frachtschiffe, die mit demütig vor ihren großen Schwestern gestrichenen Flaggen aus den britischen Häfen krochen, um monatelang in den schweißtreibenden Häfen der Java-See, des Persischen Golfs oder der Küste Queenslands unterzutauchen. «Sie wissen doch, daß Kapitän Buckle erkrankt ist?»
    Ebbs starrte ihn an.
    «Brach gestern im Autobus zusammen. Ist natürlich sehr zu beklagen. Nichtsdestoweniger muß sein Schiff Montag nach Sydney abgehen. Und wir haben niemand, der ihn ablösen könnte. Daher haben wir Sie zur Führung der Charlemagne bestimmt, Kapitän.»
    «Aber das ist doch ein Passagierdampfer!»
    «Das ist mir nicht entgangen, als meine Frau die Schiffstaufe vornahm.»
    Ebbs versuchte sich zusammenzureißen; er schluckte, um zu einer Rede anzusetzen, hielt aber dann inne. Statt dessen schneuzte er sich. Dies tat er oft,

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