Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
zu verbringen. » Er begann genießerisch zu reden, wobei er gleichzeitig seine Lust am Lügen und Versnobtsein auskostete. «Sie haben zwar keinen Riesenbesitz, doch sie bieten einem eine anständige Jagdgelegenheit. Gehen Sie auf die Jagd, Sir?»
«Nein, Mr. Shawe-Wilson. Ich gehe nicht auf die Jagd.»
«Ihr erstes Kommando auf einem Passagierschiff, wie ich höre?» fuhr der Erste fort.
«Das ist vollkommen bedeutungslos, Mr. Shawe-Wilson», sagte Ebbs, der langsam gereizt wurde. «Für den Seemann sind alle Schiffe gleich. Sie schwimmen auf dem Wasser, sie enthalten Maschinen, sie bieten ihm Kost und Quartier. Nur die Menschen auf ihnen sind von Belang. Wollen Sie sich das bitte vor Augen halten.»
«Natürlich, Sir. Reichen Sie mir bitte den Zucker, ja?»
Ebbs schneuzte sich. Er hatte durchaus nicht den Wunsch, die Fahrt damit zu beginnen, daß er sich mit seiner ersten Hilfskraft in Händel einließ; doch er fragte sich, ob ihm je schon ein derart tadelnswerter junger Mann untergekommen war.
«Nach dem Frühstück», sagte Ebbs dezidiert, «wäre ich Ihnen verbunden, wenn Sie mich auf dem Schiff herumführen wollten. Außer, selbstverständlich, Sie haben bereits weitere gesellschaftliche Verpflichtungen?»
Als sie kurz danach allein im kalten Navigationsraum standen, bemerkte Ebbs: «Ich vermisse die Bleistifte. Wo sind die Bleistifte des Navigationsraums, Mr. Shawe-Wilson?»
«Die werden meistens im Hafen gestohlen, Sir», sagte Shawe-Wilson erschöpft.
«Dann müssen Sie dafür Sorge tragen, daß sofort neue bereitgelegt werden. Bleistifte im Navigationsraum gehören zur Ausrüstung eines Schiffes, und für die Ausrüstung eines Schiffes ist der Erste Offizier verantwortlich. Das geht vollkommen klar aus den Vorschriften der Gesellschaft hervor. Was passiert, wenn keine Bleistifte da sind? Sagen wir, wir nehmen beim Ausfahren aus einem Hafen eine wichtige Peilung vor, und während wir die Zeit damit vertrödeln, sie auf der Seekarte einzutragen, sind wir auf Grund gefahren. Sie werden mich vielleicht als einen Umstandskrämer ansehen, Mr. Shawe-Wilson -eine Anklage, die, wie ich vermute, hinter meinem Rücken gegen mich erhoben wird -, aber die reibungslose Führung eines Schiffes hängt davon ab, daß jedermann die Dinge genauso zur Hand hat, wie er sie wünscht.»
«Ja, Sir.»
«Und sorgen Sie bitte dafür, daß die Bleistifte des Navigationsraums, wenn sie einmal zur Stelle sind, für nichts anderes als zum Vermerken auf der Seekarte verwendet werden. Man kann unmöglich eine Linie anständig mit einem Bleistift ziehen, den der Dritte Offizier zum Merken seiner Wäsche, oder wofür Dritte Offiziere sonst Bleistifte brauchen, benützt hat.»
«Ja, Sir.»
«Schön, Mr. Shawe-Wilson. Gehen wir weiter. Was gibt's hier oben noch?»
«Wahrscheinlich werden Sie auch noch sehen wollen, wie die Hunde der Passagiere untergebracht sind, Sir?»
«Alles will ich sehen. Führen Sie mich, bitte.»
Ebbs berief die Offiziere am nächsten Nachmittag um fünf zu einer Konferenz ein, zu einer Stunde, da die Aufmerksamkeit des Seemanns im Hafen dem Laufsteg und den unentrinnbaren Reizen der eben geöffneten Wirtshäuser zugewandt ist.
Der Wechsel im Kommando bedeutete für die meisten Mitglieder der Besatzung, denen der Kapitän etwas so Fernes war wie der liebe Gott und den man ebensowenig im Ablauf des Alltagslebens ins Kalkül zog, keinen Unterschied; doch für diejenigen, die sich in seiner nächsten Nähe aufhielten und ihn in seiner Badewanne singen hör-ten, war er persönlich von einer Wichtigkeit, die ein Bewohner des Festlandes gar nicht ermessen kann. Nelson war von seinen Gefährten kaum trauernder vermißt worden als Kapitän Buckle, der die Dinge laufen ließ, wie sie liefen; und nun fiel dieser Ebbs über sie her, ein Unbekannter, voll unberechenbarer neuer Einfälle, und sie mußten sich ihm mit der Wendigkeit behäbig gewordener Staatsbeamter anpassen, die sich einem plötzlichen Regierungswechsel gegenübersehen.
«Nun, meine Herren, darf ich mich Ihnen selber vorstellen?» begann Ebbs in munterem Ton, ängstlich darauf bedacht, vor dem Dutzend Männer, die sich im leeren Rauchsalon der ersten Klasse versammelt hatten, den richtigen Start zu machen. «Ich muß sagen, daß ich gerne bei meinem Eintreffen eine etwas aktivere Begrüßung gesehen hätte. Aber man muß eine Lehre daraus ziehen, meine Herren - dieser Umstand hat wahrscheinlich verhindert, daß irgendeine Art von Selbstgefühl in
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