Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
die Socken zu wechseln, die Poren geschlossen und den Darm offen zu halten. Seine Aufenthalte daheim waren während seiner auf hoher See zugebrachten Jahre so spärlich gewesen, daß er nunmehr nur noch als störender Besucher in ihrem Hause galt; sein Andenken wurde gewissenhaft durch ein paar durcheinandergewürfelte Souvenirs, die der Ozean in den Salon geschwemmt hatte, sowie durch eine Reihe von Fotografien auf dem Kaminsims frisch erhalten, die ihn zeigten, wie er allmählich im Dienste der Gesellschaft an Rang gewann und an Haupthaar verlor. Da Ebbs am Lande keine Freunde und außerhalb seines Schiffs keine Interessen besaß, verbrachte er die paar Tage im Hafen damit, daß er energiegeladen auf der Charlemagne herumkroch - von der engen Radarstation oben auf dem Auslug angefangen bis hinunter zu den Rohren, die wie Spaghetti in einer Schachtel im Kiel eingepackt waren. Sooft er in seine Kabine zurückkehrte, fand er seinen Schreibtisch noch dichter mit Briefen aus dem Büro und ungestümen Memoranden McWhirreys übersät, von denen ihm die meisten unverständlich waren. Die restliche Zeit wurde mit dem Anproben von Messeanzügen, die ihm die Schneider eilends anmaßen, und mit dem Anhören des Oberinspektors der Gesellschaft ausgefüllt, der sich allmorgendlich mit einer neuen Flasche Whisky in seinem besten Fauteuil niederließ und ihn mit seinen immer zweckloser werdenden Ratschlägen versorgte.
Drei Morgen später kam es Ebbs schockartig zum Bewußtsein, daß sein Schiff binnen vierundzwanzig Stunden abfahrtbereit sein müsse. Die Beschädigungen, die sich auf seiner letzten Fahrt angesammelt hatten, wurden noch immer von unwirschen Männern mit Schweiß-und Gebläseapparaten repariert; sie rissen die Stahlklammern aus den Decks, schälten den Anstrich ab und schleppten Maschinenteile durch die Salons, so daß es aussah, als wäre das Schiff bereits in die Hände der Abwracker gefallen. Die Kajütgänge waren noch immer mit öldurchtränktem Segeltuch bedeckt und mit Stapeln von Matratzen angestopft, die Kabinenmöbel in die Kojen hineingepfercht, die Salons durch Schutzüberzüge unkenntlich gemacht, und Ebbs schien es, als würde die Charlemagne nie und nimmer bereit sein, die erlesenen Reisenden seiner Passagierliste zu empfangen. Doch irgendwie brachte das Schiff es zustande. Mit einemmal waren die Decks gereinigt, gerichtet und bühnenmäßig beleuchtet, die Raufbolde, die sich mit stinkenden Eimern in den Kajütgängen getummelt hatten, in adrette, liebenswürdige, weißberockte Stewards der Pole Star Line verwandelt; Ladungen von Blumen und Glückwunschtelegrammen trafen an Bord ein, um den Abschiedsschmerz festlich zu überglänzen. Ein ungewohntes Schweigen, das nur unmittelbar vor und nach einer jeden Reise einsetzt, senkte sich zwischen dem Hämmern der Handwerker und dem Schnattern der Passagiere auf das Schiff herab. Und am Abend kam - ein Admiral mit Melone - Sir Angus an Bord, um alles zu inspizieren.
«Sie scheinen sich ja mit dem Schiff schon sehr vertraut gemacht zu haben», geruhte er zu bemerken, als er nachher mit Ebbs übers Deck ging.
Ebbs schneuzte sich erleichtert.
«Hoffentlich haben Sie erfaßt, Kapitän, daß dieses Kommando etwas anders geartet ist als Ihr letztes?»
«Ich war stets der Ansicht, Sir Angus, daß für den Seemann alle Schiffe einander gleichen. Sie schwimmen auf dem Wasser, sie...»
«Möglich. Natürlich kommt die Seemannskunst an erster Stelle, doch die Passagiere machen sich heutzutage gar keine Gedanken über ihre Sicherheit - nicht mehr, als Sie oder ich uns den Kopf darüber zerbrechen, ob die Erde um die Sonne kreist. Ihnen kommt es hauptsächlich auf die Größe ihrer Kabinen an und auf die Größer ihrer Frühstücksportionen - kurz, auf das tägliche Leben an Bord.»
«Sie meinen - äh, Unterhaltungen und Spiele?» forschte Ebbs.
«Das Peinliche ist, daß wir uns nun im Reiseverkehr ernsthaften Rivalen gegenübersehen. Schauen Sie sich einmal das da an», fuhr er erbittert fort, indem er ein zusammengefaltetes Magazin aus seiner Manteltasche hervorholte, Ebbs besah sich eine mehrfarbige Anzeige, die das schnittige Interieur eines Flugzeugs darstellte, in dem schlanke Herren in tadellosen Anzügen und betörend schicke Frauen voll eleganter Sicherheit Martinis tranken und in einer fröhlichen Vertrautheit, die dem Paradies angestanden hätte, miteinander plauderten. «Diese verdammten Glamour-Flugzeuge!» sagte McWhirrey, die Stirne runzelnd.
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