Kafka am Strand
Nacht vor. Am Tag zu schlafen war für ihn ungewohnt, aber als er sich hinlegte, schlief er wirklich eine Stunde lang ganz fest. Als der Abend kam, ging er in die Küche, taute sich ein eingefrorenes Garnelencurry auf und aß es mit Reis.
Sobald die Dunkelheit hereinbrach, setzte er sich neben den Stein und legte Messer und Hammer griffbereit.
Sicherheitshalber löschte er in der Wohnung alle Lichter und schaltete nur eine kleine Tischleuchte ein. Der Kerl bewegte sich nur in der Nacht, also sollte es möglichst dunkel sein. Hoshino wollte die Sache möglichst rasch hinter sich bringen. Komm nur, Kerl! Je schneller, desto besser. Dann konnte er endlich in seine Wohnung nach Nagoya zurück und ein Mädchen anrufen.
Mit dem Stein sprach Hoshino kaum noch. Er schwieg und warf ab und zu einen Blick auf die Uhr oder spielte gelangweilt mit dem Messer und dem Hammer. Wenn etwas geschehen sollte, vermutete er, dann wahrscheinlich mitten in der Nacht. Es konnte jedoch auch vorher etwas passieren, und er durfte es auf keinen Fall verpassen. Immerhin handelte es sich um eine Chance, wie man sie nur einmal in tausend Jahren bekam, da musste er streng auf der Hut sein. Aus Nervosität knabberte er ein paar Kräcker und trank ein bisschen Mineralwasser.
»He, Stein«, sagte Hoshino gegen Mitternacht leise. »Endlich ist es zwölf. Geisterstunde. Der entscheidende Augenblick. Jetzt müssen wir beide genau aufpassen, was passiert.«
Hoshino berührte den Stein. Die Oberfläche des Steins fühlte sich ein bisschen wärmer an als sonst, aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein. Um sich Mut zu machen, strich er mit der Hand über den Stein.
»Du stehst doch voll hinter mir, Stein, oder? Der gute Hoshino braucht deine moralische Unterstützung.«
Es war kurz nach drei, als aus dem Raum, in dem Nakatas Leiche lag, ein leises Rascheln zu hören war. Es klang, als würde etwas über einen Tatami-Boden kriechen. Aber das Zimmer, in dem Nakata lag, war nicht mit Tatami, sondern mit Teppichboden ausgelegt. Der junge Mann hob den Kopf und lauschte. Kein Zweifel. Was für ein Geräusch das war, konnte er nicht ausmachen, aber in Nakatas Zimmer ging eindeutig etwas vor. Hoshinos Herz begann wild zu pochen. Mit der Rechten umklammerte er das Sashimi-Messer, mit der linken griff er nach der Taschenlampe. Den Hammer hatte er sich in den Gürtel gesteckt. Er stand auf.
»Also dann«, sagte Hoshino zu niemand Bestimmtem.
Lautlos schlich er zur Tür von Nakatas Zimmer und öffnete sie behutsam. Er knipste die Taschenlampe an und richtete sie rasch auf die Stelle, an der Nakatas Leichnam lag, da das raspelnde Geräusch offenbar aus dieser Richtung kam. Die Taschenlampe entsandte einen weißen schmalen Lichtstrahl. Etwas wand sich kriechend aus dem Mund des toten Nakata. Seine Form erinnerte an eine Kalebasse, und sein Umfang entsprach in etwa dem Arm eines kräftigen Mannes. Seine gesamte Länge war nicht auszumachen, aber es schien beinahe zur Hälfte herausgekommen zu sein. Der Leib war schleimig und schimmerte weißlich-feucht. Nakatas Mund war, damit das Ding hindurchpasste, weit geöffnet wie der Rachen einer Schlange. Vielleicht war der Unterkiefer ausgehängt.
Hoshino schluckte laut. Die Hand, in der er die Taschenlampe hielt, zitterte. Durch das Zittern wackelte auch der Lichtstrahl. Meine Güte, dachte er, wie soll man so ein Viech denn töten? Sichtbar waren weder Arme noch Beine, weder Augen noch Nase. Es war nicht zu packen, so schleimig war es. Wie sollte er das nur erledigen? Was war das überhaupt für ein Lebewesen?
Ob sich das Ding wohl die ganze Zeit über wie ein Parasit in Nakatas Körper versteckt gehalten hatte? Oder war es so etwas wie Nakatas Seele? Nein, das bestimmt nicht. Ausgeschlossen. Ein so widerliches Ding konnte nicht aus Nakatas Innerem kommen. Das wusste er. Wahrscheinlich war es von irgendwoher in Nakata eingedrungen und verließ seinen Leib jetzt wieder, um in den Eingang zu gelangen. Es hatte sich eingenistet, als es ihm in den Kram passte, und Nakata einfach als einen bequemen Durchgang benutzt. Nakata durfte nicht auf diese Weise benutzt werden. Deshalb musste er, Hoshino, diesem Biest, koste es, was es wolle, den Garaus machen. Wie die schwarze Katze gesagt hatte, musste er seine ganze Willenskraft zusammennehmen und es ausmerzen.
Tapfer sprang er an Nakatas Seite und stieß das Sashimi-Messer in die Stelle, an der er den Kopf des weißen Wurms vermutete. Wieder und wieder zog er es
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