Kafka am Strand
heraus und stieß aufs Neue zu. Immer wieder. Aber seine Stiche zeigten keine Wirkung. Es fühlte sich an, als würde er in weiches Gemüse schneiden. Unter der schleimigen weißen Oberfläche war kein Fleisch. Auch keine Knochen. Keine Organe, kein Gehirn. Durch den Schleim schlossen sich die Wunden sofort wieder, wenn er das Messer herauszog. Weder Blut noch andere Körperflüssigkeiten traten aus. Das Vieh hat überhaupt keine Empfindungen, dachte Hoshino. Er konnte darauf einstechen, soviel er wollte, das weiße Wesen wand sich weiter glitschig und unbeschadet aus Nakatas Mund ins Freie.
Hoshino warf das Sashimi-Messer zu Boden, lief ins Wohnzimmer zurück, holte das Küchenbeil vom Tisch und schwang es mit aller Wucht gegen das Weiße. Der Hieb drang in der Gegend des Kopfes ein und schlug einen klaffenden Spalt. Wie zu erwarten, war nichts darin. Das Innere bestand aus der gleichen weißen wabbligen Substanz wie das Äußere. Dennoch schlug er mit dem Küchenbeil so oft zu, bis es ihm endlich gelang, einen Teil des Kopfendes abzutrennen. Das abgeschlagene Stück wand sich noch eine Weile verzweifelt auf dem Boden, dann rührte es sich nicht mehr, als wäre es tot. Doch den Vormarsch des übrigen Teils konnte er nicht aufhalten. Die Wunde schloss sich durch den Schleim sofort, schien sogar wieder zuzuwachsen. Unermüdlich und als sei nichts geschehen, bewegte sich das weiße Ding vorwärts.
Es quoll immerfort aus Nakatas Mund und war schon fast ganz draußen. Seine Länge betrug nahezu einen Meter, den Schwanz eingeschlossen. Da es einen Schwanz hatte, konnte man immerhin vorne und hinten unterscheiden. Es war ein kurzer, dicker Schwanz, der wie bei einem Salamander spitz zulief. Beine hatte es nicht. Weder Augen noch Mund noch Nase. Aber offenbar war es ein Wesen, das einen Willen besaß. Nein, dachte Hoshino, das Ding besteht aus Willenskraft. Das erfasste er intuitiv. Im Laufe seines Werdegangs hatte es durch irgendwelche Umstände zufällig diese Form angenommen. Hoshino lief es eiskalt den Rücken hinunter. Er musste das Weiße unbedingt erledigen, da gab es nichts.
Mehrmals schlug Hoshino mit dem Hammer zu, doch auch das zeigte kaum Wirkung. Durch die Schläge mit dem Eisenklumpen entstanden zwar tiefe Einbuchtungen, die jedoch sogleich durch weiche Haut und Schleim ersetzt wurden, sodass das Ding doch nur wieder seine ursprüngliche Form annahm. Hoshino holte sich einen kleinen Tisch, fasste ihn an den Beinen und schlug damit auf das weiße Ding ein. Doch wie kraftvoll er auch zuschlug, er vermochte den Vormarsch des Dings nicht aufzuhalten. Es wand sich zwar nicht schnell, aber doch stetig wie eine schwerfällige Schlange auf den Eingangsstein im Nebenzimmer zu.
Der junge Mann erkannte, dass das weiße Ding sich von anderen Lebewesen unterschied. Es ließ sich mit keiner Waffe aufhalten. Es besaß kein Herz, das man durchbohren, und keine Kehle, die man zudrücken konnte. Was sollte er nur tun? Aber dieses Vieh durfte auf keinen Fall in den »Eingang« hinein. Denn es war böse. »Du erkennst es auf den ersten Blick«, hatte Toro, die schwarze Katze, gesagt. Genau. Man erkannte es auf den ersten Blick. Er durfte es nicht am Leben lassen.
Hoshino ging wieder ins Wohnzimmer, um nach einer geeigneten Waffe zu suchen. Aber er fand nichts. Plötzlich fiel sein Blick auf den Stein zu seinen Füßen. Den Eingangsstein. Vielleicht konnte er das Ding damit zerquetschen? Der Stein wirkte im schwachen Licht rötlicher als gewöhnlich. Der junge Mann bückte sich und hob ihn versuchsweise an. Er war so unheimlich schwer geworden, dass er ihn gar nicht bewegen konnte.
»He, du bist ja wieder der Eingangsstein«, sagte Hoshino. »Das heißt, bis das Biest hier ist, muss ich dich zumachen, damit es nicht reinkann.«
Er nahm seine ganze Kraft zusammen und versuchte den Stein anzuheben. Doch der rührte sich nicht.
»Geht nicht«, sagte der junge Mann keuchend zu dem Stein.
»Mensch, Stein, du bist ja noch schwerer geworden als letztes Mal! Da fallen einem ja die Eier ab.«
Das Schaben im Hintergrund ging weiter. Das weiße Ding kroch unablässig näher. Hoshino blieb kaum noch Zeit.
»Ich probier’s noch mal«, sagte er und legte die Hände auf den Stein. Er holte so tief Luft, wie er konnte, blähte die Lungen auf und hielt die Luft an. Mit all seiner Konzentration umfasste er den Stein mit beiden Armen. Wenn er ihn nicht hochkriegte, würde es keine zweite Gelegenheit mehr geben. »Jetzt, Hoshino«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher