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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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aber das tat sie nicht. Überraschenderweise nahm sie ihr Ehegelöbnis äußerst ernst.
    Im Nachhinein war er froh, dass sie sich ihm verweigert hatte. Die Vorstellung, sich beinahe in dem kleinen rosa Spalt der Frau vergnügt zu haben, die seinen Sohn erschossen hatte, behagte ihm ganz und gar nicht.
    In den letzten Tagen war der bohrende Schmerz seines Kummers einer dumpfen Traurigkeit gewichen. Er fühlte sich wie ein Insekt in einer verkorkten Flasche, wie eine Motte, die gegen das Glas fliegt, während allmählich der Sauerstoff zur Neige geht.
    Als ein weiterer Kiefernstamm auf das Förderband glitt, pulte Jones sorgfältig die Baumwolle aus seinem linken Ohr, kletterte auf den Stamm und legte sich mit dem Rücken darauf, den Kopf Richtung Säge, als wolle er ein Nickerchen machen. Er spürte die harte Baumrinde durch sein Hemd und lauschte dem Kreischen der Säge. Seine Ohren dröhnten, aber er unternahm nichts, um sie zu schützen. Er presste den Hinterkopf fest gegen den Stamm, um so einen Blick auf die Säge zu erhaschen, was ihm jedoch nicht gelang. Schließlich schloss er die Augen. Das Brüllen der Säge wurde immer lauter, bis er schließlich glaubte, seine Trommelfelle müssten zerplatzen. Er hörte einen Mann schreien, hörte, dass Leute auf ihn zurannten, spürte, wie der Stamm unter ihm splitterte, als er in die Säge glitt, spürte das Sägemehl auf seinem Gesicht und wusste, er hatte gewonnen. Die großen Zähne des Sägeblatts würden ihm Ruhe verschaffen, bevor die Männer ihn zu packen bekamen.
    Bis die Männer begriffen, was Jones vorhatte, war es bereits zu spät. Als die Säge ihm in den Schädel schnitt, gab sie einen klagenden Laut von sich, anders als der, den sie bei Holzstämmen machte. Das Sägeblatt bohrte sich in Jones’ Schädel, riss ihn nach hinten und brach ihm das Genick. Der untere Teil des Körpers wurde in die Maschine gesogen. Die Zähne des Sägeblatts verbissen sich in seiner Hose, zerrten sie ihm vom Leib und knüllten sie zusammen. Die Säge blockierte, und Jones wurde über die gesamte Halle verteilt. Dann machte die Säge ein kreischendes Geräusch, ruckelte und setzte sich wieder in Gang, bis jemand auf die Idee kam, zum Schalter zu hechten und sie abzuschalten. Sobald die Säge zum Stehen kam, herrschte absolute Stille, die den Männern allerdings genauso in den Ohren wehtat wie vorher das Jaulen des Sägeblatts.
     
    Zack, der die Baumstämme mittels eines an einer langen Stange befestigten großen Hakens auf das Förderband hievte, wurde Zeuge des Geschehens. Noch Jahre später erzählte er, der Saft eines Mannes spritze sogar noch kräftiger als der einer frisch geschlagenen Kiefer. Mit bloßen Händen und unter Einsatz seines Hakens half er mit, aus der Säge zu retten, was von Jones noch übrig war. Später trug man ihm auf, die Säge zu reinigen und zu ölen. Auf einem der Zähne des Sägeblatts entdeckte er Jones’ Ehering. Er hing dort, als hätte Jones ihn sorgfältig abgelegt, bevor er sich die Hände wusch oder den Hintern abputzte.
    Zack überlegte, ob er ihn Mrs. Jones geben sollte; dann fragte er sich, ob er ihn nicht lieber in der Stadt verkaufen sollte. Aber wenn das jemand herausbekam, konnte das schlimme Folgen für ihn haben. Also steckte er ihn in einen von Jones’ Stiefeln, nachdem er die Überreste von Knöchel und Fuß daraus entfernt hatte. Interessanterweise waren beide Stiefel in gutem Zustand. Keine Schnitte oder Risse, nur innen voller Blut.
    Später, als er zu Hause war, dachte Zack an die Prügel, die Pete ihm verpasst hatte, und daran, wie Jones ihn gezwungen hatte, die Leiche zu holen. Der Ring fiel ihm wieder ein und er bereute, dass er ihn nicht behalten hatte.
    Eine Woche später fand Zack im Mühlenhaus unter einem Holzscheit einen weiteren Teil von Jones, vermutlich einen Hoden. Er kickte ihn eine Zeit lang über den Boden, dann schubste er ihn mit einem Stock nach draußen zu der einäugigen Katze, die immer bei der Mühle herumlungerte.
    Die Katze nahm ihn ins Maul und lief damit in den Wald.
     
    Marilyn wurde benachrichtigt. Man brachte ihr die Stiefel, nicht aber die Kleidung, die zu zerrissen war. In einem der Stiefel fand sie den Ring. Weinend legte sie ihn in den Stiefel zurück, trug ihn in den Hinterhof, kniete sich hin und vergrub ihn in der Nähe des Hühnerstalls.
    Sunset und Karen standen zwischen Marilyns Zierpflanzen auf der Schlafveranda und sahen ihr zu. Die Pflanzen wirkten mitgenommen, waren bräunlich

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