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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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nur wenig los war. Sie wussten, hinterher würde es in Marilyns Haus Berge von Essen geben, das die Frauen des Camps vorbeigebracht hatten.
    Da Sunset nicht an der Beerdigung teilnahm, war Karen zusammen mit ihrer Großmutter hingegangen. Mr. Jones, der ebenfalls anwesend war, stand auf der gegenüberliegenden Seite des Grabs. Er lächelte seiner Enkelin zu, und sie lächelte zurück. Als er seine Frau ansah, verging ihm allerdings das Lächeln.
    Der Priester sagte viel Gutes über Pete und empfahl ihn Gott; dann löste sich die Menge auf, und zwei Farbige, die man extra für diesen Tag angestellt hatte, schaufelten Erde auf den Sarg.
    Hinterher trafen sich alle im Haus der Jones’. Es wurde gegessen und über Pete geredet. Darüber, wie mutig er gewesen war. Wie er dies und jenes getan hatte. Und natürlich wurde die Geschichte von Drei-Finger-Jack erzählt. Schließlich wandten sich die Gespräche der Ernte und den Tieren zu, dem Tornado und der Mühle. Irgendwann waren auch diese Themen erschöpft, und die Leute bekundeten noch einmal ihr Beileid und gingen.
    Zum Schluss waren nur noch Marilyn, Karen und Jones übrig.
    »Können wir die Sache nicht wieder in Ordnung bringen?«, fragte Jones.
    »Karen«, sagte Marilyn. »Geh nach draußen, damit die Erwachsenen reden können.«
    Karen umarmte ihren Großvater und verließ dann widerwillig das Zimmer.
    »Ich kann es nicht glauben, dass du so mit mir umspringst«, sagte Jones. »Nach all den Jahren. Und das auch noch jetzt, wo unser Sohn tot ist.«
    »Das hätte ich schon vor langer Zeit tun sollen.«
    »Ich sollte dir eine runterhauen, Weib.«
    »Möchtest du, dass deine Enkelin erfährt, wie du mich behandelst? Noch weiß sie das nicht. Ich habe ihr nur gesagt, ich würde mich in deiner Gegenwart nicht mehr wohlfühlen. Aber ich habe ihr nicht alles erzählt. Wenn du mich jetzt schlägst, schreie ich das ganze Camp zusammen. Ich habe es die ganze Zeit stumm erduldet, aber das ist vorbei. Willst du das, ausgerechnet an dem Tag, an dem wir unseren Sohn beerdigt haben?«
    »Das hatte doch nie etwas zu bedeuten.«
    »Mir hat es durchaus etwas bedeutet.«
    »Du lässt diese Mörderin hier wohnen?«
    »Es war Notwehr.«
    »Wie kannst du so etwas bloß sagen?«
    »Geh jetzt, Jones.«
    Jones nahm seinen Hut von dem Stuhl neben der Tür, wo er ihn immer hinlegte, setzte ihn auf und ging. Dann kam er noch einmal zurück. »Die Sache ist noch nicht vorbei, nur damit du es weißt«, sagte er. »Weder zwischen Sunset und mir noch zwischen dir und mir.«
    Er verließ das Haus, und sie hörte, wie er mit seinen schweren Stiefeln über die Veranda und die Treppe hinunterpolterte. Sie sah ihm durch die Fliegengittertür hinterher. Überrascht stellte sie fest, dass es ihr wehtat, wie er klein und traurig davonging und bei jedem Schritt den Staub aufwirbelte.
     
     

KAPITEL 7
     
     
    Spätnachmittags an einem Freitag, zwei Wochen nach Petes Beerdigung, gingen Henry Shelby und die Dorfältesten zu Jones, um mit ihm zu reden. Sie fanden, es sei höchste Zeit, einen neuen Constable für das Dorf und die Umgebung zu ernennen. Das bedeutete, dass eine Versammlung einberufen werden musste, und bisher hatten solche Versammlungen immer im Haus der Jones’ stattgefunden. Es war das größte in der Gemeinde, abgesehen von Henry Shelbys Haus. Aber Henrys Frau mochte keinen Besuch, weil sie trank. Nicht, dass sie Angst hatte, jemand würde das mitbekommen. Sie wollte nur einfach nicht dabei gestört werden. Außerdem hätte sie sich dann vielleicht etwas anziehen müssen, sie trank nämlich gern nackt, wobei sie dazu neigte, gelegentlich einen einzelnen Schuh zu tragen. Henry gegenüber hatte sie einmal geäußert, dass sie sich so besser im Kontakt mit der Natur fühle. Als käme jeder im Adamskostüm, mit einer Flasche Whisky und einem Schuh zur Welt.
    Henry sah seine Frau nicht gern nackt. Sie war ein liebreizendes junges Mädchen gewesen, feingliedrig und mit einem Pfirsich zwischen den Schenkeln. Jetzt sah sie, wenn sie saß – und eigentlich auch, wenn sie stand –, aus wie ein Haufen Irgendwas, und der Pfirsich zwischen ihren Schenkeln war längst zu einer verdorrten Dattelpflaume zusammengeschrumpelt. Dennoch war es ihm lieber, wenn sie sich betrank. Dann zeigte sie wenigstens kein Interesse mehr an ihm. Seinerzeit, als sie noch etwas von ihm wollte, schien sie dauernd am Rand eines Nervenzusammenbruchs oder eines hysterischen Anfalls zu stehen. Ununterbrochen zeterte sie herum

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