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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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er sich mit Gift voll. Aunt Cary nahm eine Bibel vom Regal, schlug sie auf und suchte schnell eine bestimmte Stelle heraus. Laut las sie ein paar Verse. Als sie damit fertig war, sagte sie: »Das sind heilende Verse.«
    »Ich habe sie wiedererkannt«, entgegnete Lee. Er streckte die Hand aus und berührte den Kopf des Jungen. Er war schweißnass und heiß, aber nicht mehr so heiß wie zuvor.
    »Ich mach ihm jetzt was zu trinken«, fuhr Aunt Cary fort. »Dann geht das Fieber ein bisschen runter.«
    »Wird er wieder gesund?«, fragte Marilyn.
    »Das weiß nur der Herrgott«, antwortete Aunt Cary. »Aber ich glaub schon. Ja, Ma’am, ich glaub schon.«
    Lee machte eine weitere überraschende Entdeckung: Die Schwellung in Goose’ Hand war zurückgegangen, und sie war nicht länger schwarz, sondern hellblau. Die Linien, die den Arm hinaufliefen, waren jetzt kürzer. Aus den Schnitten rann kein Gift mehr, nur noch Blut.
    »Riley«, sagte Aunt Cary zu ihrem Mann. »Schau mal, ob du hinter dem Herd ein paar Spinnweben findest.«
    Uncle Riley ging zum Herd, beugte sich hinunter und sammelte ein kleines Knäuel zusammen, als würde er Webfäden aneinanderreihen. Dann gab er sie Aunt Cary, die sie zusammenknüllte und auf die Schnitte legte. Sie wurden dunkelrot und schlossen sich. »Das stillt die Blutung«, erklärte sie. »Ich mach nie sauber hinterm Herd. Man weiß ja nie, wann man Spinnweben braucht.«
    Lee berührte sanft Goose’ Hand. »Verdammt will ich sein«, sagte er. »Er hat kaum noch Fieber.«
    »Weil das Gift raus ist«, entgegnete Aunt Cary. »Und verdammt sind wir alle, wenn wir uns nicht ändern.«
     

KAPITEL 18
     
     
    Ein wenig später am selben Tag widerfuhr Henry – der bereits bester Laune war, weil er herausgefunden hatte, wie er Sunset den Mord in die Schuhe schieben konnte – etwas, das ihm wie das Sahnehäubchen auf einer zweischichtigen Schokoladentorte vorkam, auch wenn er rückblickend gezwungen war, diesem Sahnehäubchen ein bisschen auf die Sprünge zu helfen. Er war zur Arbeit gegangen, und als die ihn gelangweilt hatte, weil er eigentlich nur in seinem Kontor herumhockte, ohne dass es so recht was zu tun gab, hatte er beschlossen, nach Holiday zu fahren und eines seiner Schnuckelchen aufzusuchen, das es ihm für fünf Dollar und zehn Cent besorgte. Ein seltsamer Preis, aber sie bestand darauf, und sie war jeden einzelnen Cent wert. Sie war blond und vollbusig, hatte genügend Hintern für zwei, war aber trotzdem straff und hübsch und neigte dazu, an den Innenseiten der Schenkel einen Hitzeausschlag zu entwickeln.
    Unterwegs kam er an der Drogerie vorbei, und wie immer warf er einen Blick auf die Wohnung darüber. Sie sah seltsam aus. Die Fassade war hellrot gestrichen, und nur zwei kleine Fenster gingen zur Straße, die wie viereckige Augen in einem vom Hitzschlag gezeichneten Gesicht aussahen. Auf der Rückseite gab es sehr viel mehr Fenster, von denen aus man einen Blick auf einen Wall aus Erde und Gras hatte, Teil eines großen, baumbestandenen Überhangs, der Drogerie und Wohnung überragte. Da oben wohnte John McBride. Henry hatte geschäftlich mit McBride zu tun, aber wenn es gerade nichts Geschäftliches zu verhandeln gab, versuchte er, ihn möglichst zu vergessen. An einen Mann wie ihn dachte man lieber nicht, wenn es sich vermeiden ließ. Er war auf Henrys Wunsch hin von Chicago hierhergekommen. Manchmal wünschte Henry, er hätte ihn nie hergeholt, denn McBride war ein Mensch, der zunächst für einen arbeitete, einem aber schon bald das Gefühl gab, dass man für ihn arbeitete und dass man ihn nicht mehr loswurde. Plötzlich mischte er überall mit und hatte in allen Geschäften die Finger drin. Und dann wünschte man sich, man hätte ihn nie kennengelernt – auch wenn er für manche Sachen wirklich gut zu gebrauchen war, weil er sich als eine skrupellose Drecksau erwies.
    Und in seinem Schlepptau war dieser andere Mann aufgetaucht. Ein Schwarzer, der kaum etwas sagte und wenn doch, dann so, als würde er mit jemand Unsichtbarem sprechen, der links hinter einem stand. Ja. Der Schwarze. Sah mit seinem Hut und dem Gehrock wie ein großer Käfer aus. McBrides übler Schatten.
    An ihn mochte Henry noch viel weniger denken. Nicht mal an seinen Namen mochte er denken, aus Angst, er würde plötzlich vor ihm stehen. Wenn McBride schon skrupellos war, dann schlug der Schwarze ihn noch um Längen.
    Henrys Gedanken kehrten wieder zu der Hure zurück, aber als er in der Dodge Street

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