Kahlschlag (German Edition)
eintraf, musste er zu seinem Bedauern feststellen, dass sie woanders eine Verabredung hatte.
Sah aus, als würde das kein guter Tag werden. Henry hatte keine Lust, in die Mühle zurückzukehren, und auch nicht sonderlich Lust, nach Hause zu fahren und seiner Frau beim Trinken zuzuschauen. Aber dann fiel ihm wieder ein, dass er ja zu Hause, versteckt in einem Paneel in seinem Schreibtisch, ein kleines schwarzes Buch verwahrte, und in diesem Buch befanden sich ein paar Adressen und Nummern von Huren, die entweder selbst ein Telefon hatten oder mit jemandem in Verbindung standen, der eins hatte. Bei diesen Frauen war er noch nie gewesen, aber er wusste, dass es sie gab. Diese Informationen stammten von Geschäftspartnern. Er hatte nicht vorgehabt, sie zu nutzen, weil es ja schon den blonden Schatz gab, den er recht gern mochte, aber das hatte nun nicht geklappt, und er hatte immer noch das dringende Bedürfnis, sein Rohr durchpusten zu lassen. Er war enttäuscht und wollte herausfinden, ob er nicht noch eine andere Hure auftreiben könnte, also fuhr er nach Hause, um das kleine schwarze Buch zu befragen.
Henry rief nicht nach seiner Frau, als er das Haus betrat. Das war noch nie eine gute Idee gewesen, denn jeden Moment konnte sie von irgendwoher auftauchen, ein großer Fleischbrocken mit dem Aussehens eines Bergs Kartoffelbrei, der sich selbstständig gemacht hatte und umherwanderte, bedeckt mit Haaren, die so fettig waren wie ein undichter Ölfilter.
Dann sah Henry einen plumpen weißen Fuß über die Sofalehne hängen. Vorsichtig ging er näher heran und sagte ihren Namen, aber sie gab keine Antwort. Er beugte sich über das Sofa. Wie üblich war sie nackt. Ihr anderes Bein lag seltsam verdreht auf dem Sofa, und er blickte aus der Vogelperspektive auf das Teil, das aus dem Berg Kartoffelbrei eine Frau machte. Beim Anblick dieses mit Haaren umstandenen Schlitzes machte er einen Satz. Dann bemerkte er, dass ihr restlicher Körper auch nicht allzu gut aussah. Ihre fetten Brüste waren nach oben gerutscht und hingen ihr bis über das Gesicht – gnädigerweise, dachte er –, und das ganze restliche Fett, aus dem sie bestand, ergoss sich über Sofa und Boden.
Er rief ein paarmal ihren Namen. Keine Antwort. Er ging um das Sofa herum, um sie sich genauer anzusehen. Aber da gab es nicht viel zu sehen. Er wollte eine ihrer Brüste wegschieben, um einen Blick auf ihr Gesicht werfen zu können, aber bei dem Gedanken lief ihm ein Schauder über den Rücken. Er hatte diese Dinger seit Jahren nicht mehr berührt und war auch nicht erpicht darauf, jetzt wieder damit anzufangen.
Er ging zum Kamin, schnappte sich den Schürhaken, hob eine Brust damit hoch und hielt sie in der Luft, als wäre sie ein gefährliches Tier, das er geschossen hatte, von dem er aber fürchtete, es sei noch am Leben. Unter ihrer Titte kam ein Arm zum Vorschein, der quer über ihrem Gesicht lag, und in der Faust hielt sie ein Glas, dessen Öffnung gegen ihren Mund gepresst war.
Und dann kapierte er, was passiert war: Sie war auf der anderen Seite des Sofas gestanden, hatte in ihrer üblichen betrunkenen Umnachtung den Kopf in den Nacken geworfen, um das Glas zu leeren, und war umgekippt. Als ihr die Brüste wie Mehlsäcke ins Gesicht donnerten, bekam sie noch mehr Schwung, rutschte mit dem ganzen Körper über das Sofa und schlug hart auf dem Boden auf.
Vielleicht hatte sie aber auch einen Herzinfarkt gehabt. Egal. Sie war jedenfalls tot.
Oder etwa nicht? Sie hatte ihn früher schon zum Narren gehalten. Das war so weit gegangen, dass er sich schon überlegt hatte, ob er nicht mal mit McBride reden sollte. Andererseits wollte er sein Glück nicht überstrapazieren, jetzt, wo der Bürgermeisterposten frei war, und das nur, weil er McBride angeheuert hatte.
Henry betrachtete seine Frau genauer. Um ihre Lippen herum und auf dem Boden war überall Erbrochenes. Ihr Mund stand weit offen, das Glas steckte fast schon darin. Henry ließ die Brust wieder sinken, dann stupste er seine Frau mit dem Schürhaken ein paarmal in die Seite, nur um noch einmal sicherzugehen. Er stupste sie ziemlich heftig, aber sie stand nicht auf, bewegte sich nicht und gab auch kein Geräusch mehr von sich.
Er lachte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er lachen würde. Das Lachen brach aus ihm heraus wie ein Sommersturm. Er konnte überhaupt nicht wieder aufhören. Er lachte und hopste dabei im Kreis herum. In letzter Zeit hatte er an der Existenz Gottes gezweifelt, aber jetzt
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