Kahlschlag (German Edition)
wusste er, das war ein Fehler gewesen. Nicht nur gab es einen Gott, dieser Hurensohn war auch noch auf seiner Seite.
Er legte den Schürhaken zurück. Auf dem Kamin standen ein Glas und die Flasche. Er schenkte sich einen ordentlichen Schluck Whisky ein, trank ihn aus, trank dann noch einen. Er spürte nicht die geringste Wirkung. Er war ausgelassener, als er von Whisky je werden könnte, und glücklicher, als wenn ihm eine Märchenfee einen zwanzig Zentimeter längeren Schwanz versprochen hätte. Er holte eine Decke aus dem Schlafzimmer und warf sie ihr über.
Sie stöhnte.
Nicht laut, aber es war eindeutig ein Lebenszeichen. Henry blieb stehen, lauschte, sah sie an. Er hoffte, es war nur sein knurrender Magen. Aber nein, sie stöhnte schon wieder.
Henry hob die Decke an. Ihre Augenlider bewegten sich leicht. Die Hand mitsamt dem Glas löste sich von ihrem Mund und schlug auf den Boden.
Henry hatte sich geirrt, was Gott anging.
Er beugte sich hinunter, zog ihr die Decke wieder über das Gesicht und drückte sie ihr fest auf die Nase. Dann stützte er sich mit seinem ganzen Gewicht auf sie. Schwach, wie sie war, wehrte sie sich kaum. Der Fuß, der über der Sofalehne hing, bewegte sich ein paar mal auf und ab wie eine weiße Fahne, dann blieb er reglos liegen. Henry drückte weiter. Mit der freien Hand holte er seine Taschenuhr heraus und öffnete sie. Er warf einen Blick auf das Ziffernblatt, hielt den Druck der anderen Hand aber aufrecht und presste ihr auch noch das Knie gegen den Kopf. Sorgfältig beobachtete er die Zeiger der Uhr. Die Fettrollen seiner Frau zuckten, aber sie setzte sich nicht auf, wehrte ihn nicht mal mit den Händen ab, sondern zuckte nur.
Nach einiger Zeit hörte das Fett auf, sich zu bewegen. Er sah auf die Uhr. Vier Minuten lang presste er ihr die Decke nun schon auf die Nase.
Erschöpft ließ er von ihr ab und stand auf. Schließlich beugte er sich vor und hob die Decke an. Sie sah tot aus. Wieder holte er den Schürhaken und stieß sie damit ein paarmal in die Seite, fester als beim letzten Mal, allerdings durch die Decke hindurch, damit es keine blauen Flecken gab.
Diesmal war Gott wirklich auf seiner Seite, auch wenn Henry ein bisschen hatte nachhelfen müssen. Er schenkte sich ein weiteres Glas Whisky ein, trank es langsam aus und machte sich dann auf den Weg, um Willie zu holen. Er hätte ihn auch anrufen können, Willie und er hatten Telefon, aber diese Nachricht wollte er lieber persönlich überbringen. So ausgelassen hatte er sich zuletzt gefühlt, als er zu seinem zwölften Geburtstag eine .22er geschenkt bekommen und damit die Katze des Nachbarn vom Baum herunterholte.
Während er zu Willie fuhr, fragte er sich, ob dieser wohl eine Kiste hatte, die groß genug war für die alte Schlampe. Verdammt, sie musste in etwa die Ausmaße von einem Bären haben. Man würde einen ganzen Haufen Männer brauchen, um sie hier rauszuschleppen. Vielleicht sogar einen gut genährten Ochsen.
Na gut. Keinen Ochsen. Aber die Vorstellung wollte nicht weichen, wie ein Ochse mit langen Ketten, die an ihrem Fuß befestigt waren, an der Tür stand. Den Ochsen müsste man mit brutalen Peitschenhieben antreiben, sodass er ihren fetten, alten, toten Arsch über das Sofa und zur Tür hinaus ziehen würde. Dann dachte er: Vielleicht sollte ich ihr erst was anziehen? Nein. Zu viel Arbeit. Aber in was für Kleidung sollte er sie begraben? Nun ja, er könnte ein Loch in die Decke schneiden und sie ihr über den Kopf ziehen. Das wäre durchaus eine Möglichkeit.
Er musste aufpassen, dass er nicht zu überschwänglich wirkte. Das könnte sonst auf ihn zurückfallen. Man würde sich vielleicht fragen, ob da wirklich das freundlich gesinnte Schicksal zugeschlagen hatte oder nicht doch er selbst. Was natürlich zutraf.
Während er so vor sich hinfuhr, kam er zu dem Schluss, die Dinge stünden gut. Erst die Sache, die er gegen Sunset in der Hand hatte, jetzt seine Frau, gestorben an Suff, Schwerkraft und seiner fest zupackenden Hand.
Gelobt sei Gott für den Gärprozess.
Gelobt sei Gott für Isaac Newton.
Gelobt sei Gott für die Muskelkraft in Henrys Hand.
Und ohne dass es ihm bewusst war, fing er an zu singen.
KAPITEL 19
Im Wald staute sich die Hitze, überall waren Mücken, und das Licht der Sonne wurde von den Bäumen aufgefächert. Ihre Strahlen fielen auf das Grabkreuz, das einen Schatten warf, und übersäten die mit Blättern bedeckten Grabhügel mit Lichtpünktchen. Clyde
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