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Kain

Kain

Titel: Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Die Sklavinnen, frei von jeder moralischen Hemmung, hatten aus reinster Freude, ja fast unschuldig gelacht, als sie sich damit vergnügten, den Körper des Mannes zu bearbeiten, sie hatten ein erotisches Spiel betrieben, von dem sie alle Regeln und Verstöße kannten, während hier, in diesem Vorzimmer, in das kein Laut von außen dringt, Lilith und Kain wie zwei Fechter anmuten, die ihre Säbel für ein tödliches Duell wetzen. Lilith befindet sich nun nicht mehr hier, sie hat ihr Gemach betreten und die Tür geschlossen, Kain blickte sich um und fand keinen anderen Zufluchtsort als den Hocker, der für ihn bestimmt war. Dorthin setzte er sich, unvermittelt erschrocken über die Aussicht auf die kommenden Tage. Er fühlte sich eingesperrt, sie selbst hatte gesagt, Du wirst dich hier Tag und Nacht aufhalten, nur hatte sie nicht hinzugefügt, Wenn ich so entscheide, wirst du mein Deckbulle sein, ein Ausdruck, der nicht nur ordinär, sondern hier auch deplatziert wirkt, da ja Decken im Prinzip für Vierbeiner verwendet wird, jedoch nicht für Menschen, aber trotzdem sehr passend ist, weil diese früher genau solche Vierbeiner waren wie jene, insofern als wir wissen, dass das, was wir heute Arme und Beine nennen, lange Zeit nur Beine waren, bis jemand auf die Idee kam, zu den künftigen Menschen zu sagen, Richtet euch auf, es ist an der Zeit. Auch fragt sich Kain, ob es nicht an der Zeit ist zu fliehen, bevor es zu spät ist, doch ist die Frage müßig, er weiß nur zu gut, dass er nicht weglaufen wird, in dem Schlafgemach befindet sich eine Frau, die es offenbar genießt, ihm Köder hinzuwerfen, doch eines Tages wird sie zu ihm sagen, Tritt ein, und er wird eintreten und damit von einem Gefängnis in das andere wechseln. Dazu bin ich nicht geboren, denkt Kain. Er war auch nicht dazu geboren, seinen eigenen Bruder zu töten, und doch hatte er ihn als Kadaver, Augen und Mund voller Fliegen, auf dem Feld liegen lassen, ihn, Abel, der auch nicht dazu geboren war. Kain dreht und wendet in Gedanken sein Leben hin und her, findet aber keine Erklärung, zum Beispiel diese Frau da, die, wie leicht zu erkennen, krank vor Verlangen ist, sich gleichwohl darin gefällt, den Augenblick der Hingabe hinauszuzögern, ein im Übrigen äußerst unpassender Begriff, denn wenn Lilith endlich die Beine spreizen wird, um sich penetrieren zu lassen, wird sie sich nicht hingeben, sondern beginnen, den Mann zu verzehren, zu dem sie gesagt hat, Tritt ein.

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    K ain ist inzwischen eingetreten, hat in Liliths Bett geschlafen, und so unglaublich es auch klingen mag, seine sexuelle Unerfahrenheit hat ihn davor bewahrt, im Strudel der Wollust unterzugehen, die sich der Frau augenblicklich bemächtigte, sie in Ekstase versetzte und wie besessen schreien ließ. Sie knirschte mit den Zähnen, biss ins Kopfkissen, dann dem Mann in die Schulter und saugte sein Blut auf. Kain strengte sich fleißig auf ihr an, verwirrt wegen der Raserei des Körpers und der Stimme, doch gleichzeitig betrachtete ein zweiter Kain, der nicht er war, neugierig, fast kaltblütig das Bild, die nicht zu bändigende Erregung der Gliedmaßen, die Verrenkungen ihres und auch seines eigenen Körpers, die Stellungen, die der Beischlaf nahelegte oder verlangte, bis hin zum Höhepunkt. In dieser ersten Nacht schliefen sie nicht viel, die beiden Liebenden. Auch in der zweiten, der dritten und allen darauf folgenden Nächten nicht. Lilith war unersättlich, Kains Kräfte offenbar unerschöpflich, unbedeutend, ja fast nicht vorhanden die Pause zwischen zwei Erektionen und entsprechenden Ejakulationen, man hätte durchaus sagen können, sie beide befänden sich im Paradies des künftigen Allah. In einer solchen Nacht betrat Noah, der Herr der Stadt und Liliths Ehemann, dem ein Sklave seines Vertrauens die Nachricht hinterbracht hatte, dass sich dort etwas Außergewöhnliches abspielte, das Vorzimmer. Dies tat er nicht zum ersten Mal. Noah, ein duldsamer Ehemann wie so viele andere, war in all der Zeit ihres, wie man es üblicherweise nennt, gemeinsamen Lebens nicht fähig gewesen, seiner Frau ein Kind zu machen, und es war gerade das Bewusstsein dieser beständigen Schmach und vielleicht auch die Hoffnung, Lilith würde doch noch von einem gelegentlichen Liebhaber geschwängert und ihm einen Sohn schenken, den er seinen Stammhalter würde nennen können, die ihn dazu gebracht hatten, beinahe unbewusst diese Haltung ehelicher Toleranz einzunehmen, was dann im Laufe der Zeit zu einer

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