Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kain

Kain

Titel: Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
Vom Netzwerk:
hat ein Ende, eine saubere Tunika bedeckte die Blöße des Mannes, es ist Zeit, ein äußerst anachronistisches Wort in dieser biblischen Geschichte, dass er der Herrin des Palastes vorgeführt wird, die ihm zur Bestimmung werden soll. Der Sendbote wartete in der Diele, ein einfacher Blick genügte ihm, um zu erraten, was während der Waschung geschehen war, doch schockierte ihn dies nicht, denn Sendboten bekommen kraft ihres Amtes vielerlei zu sehen, nichts kann sie überraschen. Zudem ist, wie man bereits zu jener Zeit wusste, das Fleisch hochgradig schwach, und dies nicht ganz aus eigener Schuld, denn der Geist, der ja im Prinzip die Aufgabe hätte, vor allen Versuchungen eine Hürde zu errichten, gibt immer als Erster nach, hisst als Erster die weiße Fahne. Der Sendbote wusste, wohin er den Lehmstampfer Abel führte, wohin und wofür, beneidete ihn aber nicht darum, im Gegensatz zu der schlüpfrigen Episode mit den Sklavinnen, denn die brachte sein Blut sehr wohl in Wallung. Das Betreten des Palastes fand dieses Mal durch den Haupteingang statt, hier geschieht nichts heimlich, wenn die Dame Lilith einen neuen Liebhaber aufgetrieben hat, macht man es am besten gleich bekannt, damit gar nicht erst geklatscht und gelästert wird und ein ganzes Netz von Gekicher und Geraune entstehen kann, wie es unweigerlich in anderen Kulturen und Zivilisationen der Fall wäre. Der Sendbote wies eine Sklavin an, die vor der Tür zum Vorzimmer wartete, Sag deiner Herrin, dass wir hier sind. Die Sklavin ging hinein und kam mit einer Botschaft zurück, Komm mit, sagte sie zu Kain, und dann zu dem Sendboten, Du kannst gehen, du wirst nicht mehr gebraucht. So geht es, niemand soll sich etwas darauf einbilden, dass ihm ein delikater Auftrag anvertraut wurde, denn hat er die Arbeit erledigt, wird man ihm höchstwahrscheinlich sagen, Du kannst gehen, du wirst nicht mehr gebraucht, das wissen die Sendboten nur zu gut. Lilith saß auf einem geschnitzten Holzschemel, bekleidet mit einem Gewand, das ein Vermögen gekostet haben musste, einer Robe, deren Dekolleté gerade noch so züchtig war, dass es die erste Rundung der Brüste zeigte und den Rest erahnen ließ. Die Sklavin hatte sich zurückgezogen, sie waren allein. Lilith warf einen prüfenden Blick auf den Mann, offenbar gefiel ihr, was sie sah, und schließlich sagte sie, Du wirst dich immer in dem Vorzimmer aufhalten, Tag und Nacht, du hast da deine Pritsche und einen Hocker, auf dem du sitzen kannst, du wirst mein Türhüter sein, bis ich es mir anders überlege, wirst niemanden, gleich wer es ist, in mein Gemach eintreten lassen, bis auf die Sklavinnen, die zum Putzen und Aufräumen kommen, Ganz gleich, wer es ist, Herrin, fragte Kain, scheinbar ohne Hintergedanken, Wie ich sehe, bist du flink im Kopf, falls du an meinen Mann denkst, ja, auch der ist nicht befugt einzutreten, aber das weiß er, du brauchst es ihm nicht zu sagen, Und wenn er trotzdem einmal den Eintritt erzwingen will, Du bist ein kräftiger Mann, du wirst ihn daran zu hindern wissen, Ich kann nicht jemandem mit Gewalt entgegentreten, der Herr der Stadt und somit Herr über mein Leben ist, Du kannst es, wenn ich es dir befehle, Früher oder später fallen die Konsequenzen auf mich zurück, Das, junger Mann, bleibt niemandem auf dieser Welt erspart, aber wenn du feige bist, wenn du Zweifel hast oder Angst, ist es ganz einfach, du gehst zum Lehm zurück, Ich habe nie geglaubt, Lehm stampfen sei meine Bestimmung, Ich weiß auch nicht, ob du für immer der Türhüter vor Liliths Gemach sein wirst, Mir genügt es, dies in diesem Augenblick zu sein, Herrin, Das hast du schön gesagt, allein für diese Worte hättest du schon einen Kuss verdient, Kain antwortete nicht, er hörte in der Erinnerung die Stimme des Aufsehers der Maurer, Nimm dich in Acht, man sagt, sie sei eine Hexe, sie könne mit ihrem Zauber einen Mann in den Wahnsinn treiben, Woran denkst du, fragte Lilith, An nichts, Herrin, vor dir bin ich nicht fähig zu denken, ich sehe dich an und bin wie betäubt, das ist alles, Vielleicht verdienst du einen zweiten Kuss, Ich stehe bereit, Herrin, Aber ich noch nicht, Türhüter. Sie erhob sich, ordnete die Falten ihres Gewandes, indem sie die Hände langsam über ihren Körper gleiten ließ, als liebkoste sie sich selbst, zuerst die Brüste, dann den Leib, danach den Ansatz der Schenkel, wo sie länger verharrte, und während all dessen hielt sie den Blick fest auf den Mann gerichtet, ausdruckslos wie eine Statue.

Weitere Kostenlose Bücher