Kain
bequemen Lebensweise wurde, nur gestört durch die überaus seltenen Male, wo Lilith, veranlasst durch das, was wir für das vielgerühmte weibliche Mitgefühl halten, das Schlafzimmer ihres Gatten zu einer flüchtigen und unbefriedigenden Begegnung aufsuchte, die sie beide zu nichts verpflichtete, weder ihn, mehr zu verlangen, als ihm gewährt wurde, noch sie, ihm dieses Recht zuzugestehen. Niemals jedoch hat Lilith Noah erlaubt, ihr Schlafgemach zu betreten. In diesem Augenblick drang trotz der geschlossenen Tür das ekstatische Treiben der beiden zu dem armen Mann und traf ihn wie Ohrfeigen, worauf in ihm jählings ein Gefühl aufkam, das er nie zuvor empfunden hatte, maßloser Hass auf den Reiter, der die Stute Lilith bestieg und sie zum Wiehern brachte wie noch nie. Ich bring ihn um, sprach Noah vor sich hin, ohne an die Folgen solcher Tat zu denken, zum Beispiel daran, wie Lilith reagieren würde, wenn man ihren Lieblingsgeliebten umbrächte. Ich bring sie um, sagte Noah wieder, nun sein Vorhaben auf beide ausdehnend, ich bring ihn um und ich bring sie um. Träume, Phantasien, Wahnvorstellungen, Noah wird niemanden umbringen und selbst das Glück haben, dem Tod zu entrinnen, ohne etwas dafür zu tun. Aus dem Schlafgemach kommt inzwischen kein Laut mehr, was aber nicht heißt, dass das Fest der Körper beendet wäre, die Musiker ruhen sich nur ein wenig aus, schon bald wird das Orchester zum nächsten Tanz aufspielen, jenem Tanz, bei dem auf den endgültigen gewaltigen Höhepunkt die Erschöpfung folgen wird, die Erschöpfung bis zur nächsten Nacht. Noah hat sich inzwischen zurückgezogen, im Gepäck seine Rachepläne, und er liebkost sie, als streichelte er Liliths unerreichbaren Körper. Welches Ende das alles nimmt, werden wir sehen.
Nach dem hier Beschriebenen ist es normal, dass der eine oder andere auf die Idee kommt zu fragen, ob Kain nicht müde ist, ausgequetscht bis aufs Mark von der unersättlichen Geliebten. Müde ist er, ausgequetscht auch und blass, als wollte sein Leben gleich erlöschen. Zwar ist die Blässe lediglich auf einen Mangel an Sonnenlicht zurückzuführen, auf den Entzug des wohltuenden Aufenthalts im Freien, der die Pflanzen wachsen lässt und die Haut der Menschen bräunt. Wie dem auch sei, wer diesen Mann gesehen hätte, bevor er in Liliths Schlafgemach trat und seine Zeit einzig zwischen Vorzimmer und Kopulation aufteilte, würde fraglos, ohne sich dessen bewusst zu sein, die Worte des Aufsehers der Maurer wiederholen, Er ist nur noch ein Schatten seiner selbst, ein richtiger Schatten seiner selbst. Das fiel schließlich sogar der für die Situation hauptsächlich Verantwortlichen auf, Du siehst nicht gut aus, sagte sie, Mir geht es gut, antwortete Kain, Mag sein, aber dein Aussehen sagt das Gegenteil, Das spielt keine Rolle, O doch, ab sofort machst du jeden Tag einen Spaziergang, du nimmst einen Sklaven mit, damit dich niemand belästigt, ich möchte dich so sehen wie damals, als ich dich beim Lehmstampfen erblickte, Einen anderen Willen als deinen kenne ich nicht, Herrin. Der Begleitsklave wurde von Lilith persönlich ausgesucht, doch wusste sie nicht, dass er ein Doppelagent war und von Noah Anweisungen erhielt, wenn auch nur für seine Dienste in der Verwaltung. Befürchten wir also das Schlimmste. Die ersten Spaziergänge wurden durch keinerlei Zwischenfall gestört, der Sklave immer einen Schritt hinter Kain, immer auf seine Worte bedacht, wenn er den seiner Ansicht nach besten Weg außerhalb der Stadtmauern vorschlug. Es gab keinen Anlass zur Sorge. Bis dieser eines Tages in Gestalt von drei Männern auftrat, die sich ihnen in den Weg stellten und mit denen, wie Kain alsbald klar wurde, der Sklave unter einer Decke steckte. Was wollt ihr, fragte Kain. Die Männer antworteten nicht. Alle waren bewaffnet, einer, anscheinend der Anführer, mit einem Schwert, mit Dolchen die anderen beiden. Was wollt ihr, fragte Kain noch einmal. Zur Antwort wurde ihm eine unvermittelt aus der Scheide gezogene Klinge vor die Brust gehalten, Dich töten, sagte der Mann und kam näher, Warum, fragte Kain, Weil deine Tage gezählt sind, Du kannst mich nicht töten, sagte Kain, das Mal auf meiner Stirn erlaubt es dir nicht, Welches Mal, fragte der Mann, offenbar war er kurzsichtig, Dieses hier, zeigte Kain, Ah ja, jetzt sehe ich es, aber wie das Zeichen verhindern soll, dass ich dich töte, das sehe ich nicht, Das ist kein Zeichen, sondern ein Mal, Und wer hat dir das gemacht, du selbst, fragte
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