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Kaiserhof Strasse 12

Kaiserhof Strasse 12

Titel: Kaiserhof Strasse 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valentin Senger
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Obwohl Mama Bedenken hatte, nahm sie den Mann auf. Ich erinnere mich noch, daß sein Spitzname Moro war. Am zweiten oder dritten Tag verließ der Unbekannte nachmittags unsere Wohnung und kam nicht mehr zurück. Eine Woche später erfuhren wir durch Zufall, daß Moro in Bornheim zusammen mit andern Genossen verhaftet worden war. Wir machten uns große Sorgen, daß er der Gestapo sagen werde, wo er in Frankfurt gewohnt habe. Seinen Koffer, den er bei uns stehen ließ und der nichts anderes als Toilettensachen und schmutzige Wäsche enthielt, hatten wir schon vorher in den Keller geschafft. Die Tage vergingen. Die Gestapo kam nicht. Moro hatte geschwiegen.
     

Rivalitäten
    In der Kaiserhofstraße gab es zwei miteinander konkurrierende Spengler- und Installateurmeister: in Nummer 7 Konrad Bämpfer und in unserem Haus den rothaarigen Otto Reiter. Konrad Bämpfer fuhr mit dem Fahrrad zu seiner Kundschaft und trug schon lange vor 1933 die braune Uniform. Sein Konkurrent Otto Reiter war ein passionierter Motorradfahrer und kein Nazi.
    Eines Tages hatte Otto Reiter eine Idee, die ihm beträchtlichen Gewinn und noch andere Vorteile einbrachte. Er konstruierte eine Schaufensterberieselungsanlage, und hatte bald alle Hände voll zu tun, um den vielen Bestellungen aus den Blumenläden des ganzen Stadtbezirks nachzukommen.
    Diese Erfindung brachte ihm gegenüber der Konkurrenz von Nummer 7 einen großen Vorsprung, und er verzichtete künftig auf den Reparaturkleinkram im Installateuralltag, das Auswechseln kaputter Wasserhahndichtungen und Säubern verstopfter Klosetts, das überließ er dem andern. Außerdem konnte er sich ein paar kleinere Maschinen anschaffen, was ihm später, während des Krieges, sehr nützlich war.
    Abgesehen von seiner schweren Seitenwagenmaschine, an der er in jeder freien Minute herumbastelte, liebte Otto Reiter rothaarige Frauen, rothaarig wie er selbst. Drei seiner Freundinnen habe ich gekannt: Die hagere Verkäuferin vom Wurst-Emmerich, die, wenn ich statt »für zwanzig Pfennig Wurststückchen« ausnahmsweise einmal ein Viertelpfund Streichwurst holte, sich fast in den Finger schnitt; so kleinlich genau wog sie ab. Er stand nach Feierabend stets am Hinterausgang vom Wurst-Emmerich in der Kleinen Bockenheimer Straße, wo er sie mit seinem Motorrad abholte. Dann die farblose Frau eines Weißbinders, in dessen Wohnung ihn eines Tages, so erzählte man sich, der Ehemann in flagranti erwischte. Die dritte war Käthe, etwa dreißig Jahre alt, mit üppigen Formen, bei deren Beschreibung man am besten die Hände zu Hilfe nimmt und die sich angenehm in mein Gedächtnis einprägte. Doch das hat eine Vorgeschichte.
     
    Einmal, im Frühjahr 1939, fing mich Otto Reiter im Hof ab und rief mich in seine Werkstatt. Er schloß die schwere Tür hinter sich und erzählte mir, am Vormittag sei Konrad Bämpfer, der ihn sonst nur selten besuchte, in die Werkstatt gekommen, um sich im Auftrag der Ortsgruppe der Partei, wo er eine führende Rolle spielte, nach unserer Familie zu erkundigen. Bämpfer habe ihn gefragt, was er über uns wisse, ob wir denn wirklich Juden seien, wie gemunkelt werde, und ob man nicht noch weitere Erkundigungen über uns im Haus einholen könne. Er habe Bämpfer erwidert, das könne unmöglich stimmen, es hätte sich sonst längst im Haus herumgesprochen. Wir würden auch keinesfalls den Eindruck von Juden machen. Dieses Gerede gehe wahrscheinlich auf eine Denunziation zurück. Er könne uns nur das beste Zeugnis ausstellen, wir seien ordentliche Mitbewohner und Volksgenossen. Und dann sagte mir Otto Reiter - mit einem Tonfall in der Stimme, aus dem man, wenn man wollte, heraushören konnte, daß er es ja doch besser wisse - es gehe ihn nichts an, wer wir seien und wo wir herkämen, man rede eben so vieles, aber er rate mir und meinen Eltern gut, uns vor Bämpfer in acht zu nehmen. In großer Unruhe verließ ich seine Werkstatt.
    Frau Walter aus dem zweiten Stock fragte ungefähr zur gleichen Zeit Frau Volk, die einen Stock unter ihr im Vorderhaus wohnte, warum man ausgerechnet unsere Familie unbehelligt lasse, wo man schon so viele Juden umgesiedelt habe. Wir seien doch Juden und zudem noch Ausländer, und Herr Senger könne nicht einmal richtig deutsch sprechen. Frau Volk wußte über unsere jüdische Abstammung Bescheid. Doch sie tat ahnungslos und erwiderte, Frau Walter könne doch in diesen Zeiten nicht so gefährliche Dinge über uns verbreiten. Frau Senger habe ihr selbst die

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