Kaktus zum Valentinstag
Formeln, die einzig ehrliche Sprache der Welt, wohlwollend beherrschte. Das verband uns.
So beginne ich mir Gedanken darüber zu machen, was denn überhaupt ein Freund ist. War er ein Freund oder nicht? Und was gibt es für Arten von Freunden? Meine Überlegungen finden Eintrag im »Philos«, meinem Tagebuch. Das besteht sowohl aus Buchkalendern, in denen Ereignisse und Meilensteine festgehalten werden, als auch aus losen Seiten, die dann in Ordnern themenbezogen zusammengefasst werden.
Der Freundekomet
Wann ist ein Freund also ein Freund? Freunde können Menschen sein, die ich
– nicht kenne, die mir ganz schlicht und einfach wohlgesonnen sind;
– flüchtig kenne, die mir wohlgesonnen sind;
– etwas besser kenne, weil sie zum Beispiel in derselben Klasse sind, und die mir wohlgesonnen sind;
– etwas besser kenne und mit denen ich mich auch hin und wieder mal treffe;
– etwas besser kenne und mit denen ich mich oft treffe;
– ganz gut kenne und mit denen ich mich öfter treffe;
– die ich sehr gut kenne und mit denen ich öfter zusammen bin;
– die ich so gut kenne, dass ich ihnen mehr über mich erzählen kann als das, was andere auch von irgendwoher über mich wissen könnten.
Dann höre ich auf zu sammeln, weil die Worte zu unübersichtlich werden. Weiter bringt mich immer das Denken in Strukturen und Bildern, deshalb fertige ich ein Diagramm an. Das sieht etwa so aus:
Das Bild zeigt mir wichtige Sachen. Es gibt den harten Kern wie bei einem Kometen. Das sind intime und enge Freunde. Und es gibt den weichen Bereich, angefangen von privaten Freundschaften über weitere Verwandte und Bekannte aus unterschiedlichsten Gruppen bis hin zu einfach mir gegenüber freundlich gesonnenen Menschen, die mich kennen.
Das Modell ist so zu verstehen, dass jeder innere Ring immer Teil des äußeren ist. Zum Beispiel ist eine intime Partnerschaft immer auch automatisch eine enge Freundschaft. Umgekehrt gilt dies natürlich nicht. Damit bestimmt bei mir allein der Grad der Vertraulichkeit die verschiedenen Arten einer Freundschaft.
Für mich sagt dieses Diagramm zum Beispiel aus, dass ich mir nur mit einem engen Freund oder einer engen Freundin intimen oder körperlichen Kontakt vorstellen kann. Das heißt, zu einer Partnerin müsste engste Vertraulichkeit bestehen, also sind Offenheit und Ehrlichkeit absolute Notwendigkeiten.
Aber beim Anblick dieses Modells offenbaren sich mir weitere interessante Erkenntnisse. So wird zum Beispiel transparent, dass Eltern, also meine Papamamas, nicht automatisch zum innersten Kreis gehören. Und dass Klassenkameraden, Mitstudenten, Tanzpartnerinnen und auch Nachbarskinder, mit denen ich früher gelegentlich gespielt habe, in äußere Kreise einzuordnen wären. Roland zum Beispiel wäre in der Kategorie 4.
Die Papamamas gehören wohl noch am ehesten zu den privaten Freunden, zumindest in den allermeisten Angelegenheiten. Vor allem in der Kindheit gehörten sie vielleicht noch zu den engeren Freunden. Aber das ist schon fragwürdig, weil es Definitionssache wäre. Die körperliche Nähe ist ja verordnet worden. Die habe ich mir nicht ausgesucht, deshalb zählt sie für dieses Modell nicht.
Was meinen nun die Menschen, wenn sie sagen, dass sie zehn oder zwanzig Freunde haben? Wo gehören zum Beispiel Brieffreunde hin? Ist jeder Kamerad in einer Sportmannschaft ein Freund? Der Gegner in einem Freundschaftsspiel auch? Gibt es zeitlich befristete Freunde?
Je mehr ich mir das Diagramm anschaue, desto mehr stelle ich fest, dass ich streng genommen gar keine engen, sogenannten wahren, echten Freunde habe. Wie soll ich nun also eine Partnerin, also eine Freundin der Kategorie 1, finden, wenn es mir noch nicht einmal gelungen ist, enge Freunde der Kategorie 2 zu haben?
Nicht einmal die Locken, nicht einmal der braune Brummelbär fallen ja in diesen innersten Kreis. Denn enge Freunde, das sind für mich Menschen, denen ich sehr viel über mich anvertrauen kann, mit denen ich diskutieren könnte, was in mir vorgeht. Ich habe solche Menschen bis heute nicht kennen gelernt. Nicht wirklich. Das macht mich traurig.
Weil es solche Menschen angeblich geben soll. Und laut meinem Diagramm sogar geben muss. Dieses Diagramm bringt es auf den Punkt. Ich habe nur Freunde im Schweif des Kometen, nicht aber im Kernbereich. Das bildhafte Denken offenbart mir, dass ich noch nie zu den Kernkategorien des Freundemodells vorgestoßen bin.
Und was ist mit Liebe? Die fehlt ja noch total in
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