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Kaktus zum Valentinstag

Kaktus zum Valentinstag

Titel: Kaktus zum Valentinstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Schmidt
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ja genau das Gegenteil von Befreiung aus seinem eigenen Gefängnis, der Mauer, die mich umgibt, die man bekommen würde, wenn man den scheuen Vogel der Liebe, von dem die Frau Vogt sprach, einfangen kann. Befreiung durch Einfangen. Seltsame Vergleiche. So wie das Glück, das sich verdoppeln soll, wenn man es halbiert. Alles sehr merkartig.
    Draußen herrscht nach wie vor herrlichstes Frühsommerwetter. Auch der Flieder blüht mittlerweile lila. Was für ein phantastisches, pflanzliches Begleitkonzert für unsere junge Liebe!
    Mein Weg führte in den letzten Wochen durch sanfte, hügelige Landschaften. Es ging immer leicht auf und ab. Nach dem Hügel ist vor dem Hügel. Doch nun stehe ich auf einer Hügelkette, die anzeigt, dass sich das sehr bald ändern wird.

Ozeanische Trennung
    Ich blicke in der horizontenen Ferne auf sehr viel Wasser, das grell glitzert. Bis zum fernen Horizont. Sonniges Wasser. Strahlendes Wasser. Wogendes Wasser. Ein Ozean voller Ungewissheit kündigt sich an. Ein unermesslicher Ozean auf der Route meines Lebens. Unendliche Weiten wogenden Wassers wollen nun überwunden werden, um dahin zu kommen, wohin meine Sehnsucht mich zieht.
    Das Leben will offenbar, dass ich diesen Ozean spüre. Dass ich ganzheitlich verarbeiten kann, was mir bevorsteht. Der Ozean markiert den Wechsel von einer Lebenswirklichkeit in eine andere. Da wartet jenseits des glitzernden Wassers ein ganz anderer Kontinent auf mich. Ein Leben in Gemeinschaft. Aber nur dann, wenn die lange, ungewisse Seereise gelingt.
    Nicht wenige Menschen prognostizieren uns, dass meine lange Reise das Ende unserer noch viel zu jungen Liebe bedeutet. Eine so lange Zeit der Trennung am Beginn einer Liebe könne nicht gut gehen. Wie so oft im Leben sehe ich das ganz anders, sonst würde ich es nicht riskieren.
    Als ich darüber mit meiner Vermieterin rede, sagt sie folgenden Satz: »Herr Schmidt, es gibt eine Lebensweisheit, die geht so: ›Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück, gehört es dir – für immer.‹ Lassen Sie also los, fahren Sie nach Südamerika! Wenn diese Frau Sie aufrichtig liebt, dann wartet sie auf Sie! Wenn nicht, würden Sie sie sowieso irgendwann einmal ganz schnell verlieren. Ich habe eine gute Menschenkenntnis, Herr Schmidt, ich glaube, sie wartet auf Sie!«
    Dennoch fällt es mir schwer, nun in See zu stechen. Aber der Strom der Zeit, der mich seit meinem gefühlten Dasein körpernd mitreißt, will, dass ich jetzt und hier diesen Ozean quere. Dass ich die Ungewissheit wage, um Gewissheit zu bekommen.
    Der 6. Juni 1992 ist ein glasrosafarbener Samstag. Er beginnt fröhlich und sattsonnig. Wochenlang ist bereits tollstes Sommerwetter inSchleswig-Holstein. Eine meteorologische Steilvorlage für unsere reifende Beziehung.
    Martina und ich sitzen frühstückend in unserer Loggia. Draußen blüht der Flieder noch immer lilafarben. Im Flur steht mein gepackter Rucksack. Unserer jungen Liebe steht die härteste aller Proben bevor. Eine Trennung auf Zeit!
    Denn ich muss dem Lockruf des in mir steckenden Entdeckers folgen, es ist der kleine Tomai, der alles sehen will, bis er versteht. Der Tag ist gekommen, an dem ich Martina in unserer frisch bezogenen Wohnung allein zurücklasse.
    Seit dem 1. Juni wohne ich nicht mehr bei der Vermieterin, sondern in einer WG mit Martina. Wirklich eingerichtet ist unsere gemeinsame Wohnung noch nicht, wir machen quasi Camping darin. Luftmatratzen und Plastikgeschirr sind die erste Einrichtung.
    Ich werde heute am 6. Juni vom diesseitigen Ufer in See stechen und dann auf das offene Wasser hinausziehen. Wenn alles gut geht, dann werde ich am 19. September das ferne, jenseitige Ufer erreichen.
    Das Parlament hat das so entschieden. Ein erbitterter Kampf zwischen meiner Intuition gegen meine Ratio. Die Sehnsucht nach Entdeckung der Welt, sie gewinnt. Die Sehnsucht nach Geborgenheit, nach Verlässlichkeit, nach heimatlicher Wärme und Liebe, sie verliert. Knappe Entscheidung: Mit 51:49 wird der Kampf zugunsten der geheimnisvollen Kraft der Intuition entschieden.
    Es muss so sein. Denn der Plan zur Erforschung des Ozeans wurde bereits aufgestellt, lange bevor ich Martina kennen lernte. Zum einen kann ich es nur schwer ertragen, Pläne zu ändern, vor allem dann, wenn ich mich bereits auf deren Durchführung eingestellt habe. Zum anderen kann Martina leider nicht mit, denn sie würde für eine so lange Zeit keinen Urlaub bekommen.
    Und außerdem muss ich die Überquerung des Ozeans ganz alleine

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