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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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ein wenig ungläubig. Garnet sagte: »Ich bin an allem interessiert, was ich nicht kenne!«
    »Auch an Dreck und Sand und fluchenden Ochsenkerlen?«
    »Was sind Ochsenkerle?«
    »Das sind die Männer, die Ochsengespanne über die Santa Fé-Spur treiben.«
    Garnet seufzte. »Solange ich denken kann, hat man mir vorgehalten, daß ich anders als andere sei«, sagte sie. »Vielleicht stimmt es. Jedenfalls legte ich immer Wert darauf, die Dinge kennenzulernen wie sie sind. Ich war immer an allem Wirklichen interessiert. – Und Sie?« Sie sah ihn an.
    »Ja – ich!« sagte er und zuckte die Achseln.
    »Sie sind der erste Mann, der mit mir wie ein Mensch sprach«, brach es aus ihr heraus. Sie lief tiefrot an und senkte den Kopf.
    »Wahrhaftig«, lachte Oliver, »es geht mir nicht anders. Es gibt in New York so wenig vernünftige Wesen, daß auch ich glücklich bin, mit Ihnen wie mit einem Menschen reden zu können.«
    Nun lachten sie beide. Oliver fand, daß es ganz besonders reizvoll sei, diese grauen, schwarz bewimperten Augen zornig aufleuchten zu sehen; er dachte, daß es eine große Freude für einen Mann sein müsse, dieses wunderbare Wesen aus dem Treibhaus New York herauszuführen, bevor es in dem hier herrschenden Dunst noch völlig ersticke und seine herrliche Unbefangenheit verlöre.
    »Bitte, fahren Sie fort«, sagte Garnet. Oliver sah sie an, als wisse er gar nicht mehr, wovon er gesprochen habe. Aber das half ihm nichts; sie wiederholte: »Die Händler brechen gleichzeitig auf beiden Seiten des Kontinents auf und treffen sich in der Mitte.«
    »Ja.« Er nahm den Faden auf. »Jedes Jahr im April bringen die Händler aus den Staaten ihre Waren nach Independence. Hier verladen sie die Güter in große Planwagen. Jeder Händler hat seine eigenen Wagen, seine eigene Mannschaft, seine Packer, Maultiere, Ochsentreiber und Köche. Er führt seine Kolonne nun zu einem Sammelplatz in der Prärie; dieser Sammelpunkt wird Council Grove genannt. Hier werden nun die großen Karawanen gebildet.«
    »Und bis zum Council Grove reisen alle Gruppen zusammen?«
    »Nein. Es bilden sich einzelne Reisegesellschaften. Diejenigen, die zuerst im Council Grove ankamen, müssen es auch zuerst wieder verlassen. Natürlich kommt es vor, daß eine Gesellschaft die andere einholt, daß verschiedene Gruppen draußen in der Prärie zusammentreffen und dann die weitere Reise gemeinsam fortsetzen.«
    »Wohin geht die Fahrt dann zunächst?«
    »Nach Santa Fé. Das ist eine Stadt in einer mexikanischen Provinz, Neu-Mexiko genannt. Sie liegt an die achthundert Meilen westlich von Independence.«
    Garnet nickte: »Soweit verstehe ich. Bitte, fahren Sie fort.«
    »Ja, sehen Sie: Während diese Händler nun auf dem Weg von Independence nach Santa Fé sind, trifft eine andere Kolonne in Santa Fé ein, um hier mit ihnen zusammenzutreffen.«
    »Woher kommt diese Kolonne?«
    »Aus Kalifornien. Und das ist nun die Gruppe, mit der ich gearbeitet habe. Jedes Jahr im April, während die Missourihändler ihre Waren in Planwagen packen, trifft unsere Gesellschaft in Kalifornien zusammen. Wir starten in einem kleinen Dorf, Los Angeles geheißen. Und zwar reisen wir nicht mit Planwagen, sondern verwenden Packmaulesel. Das ist nötig, weil wir sehr steile Gebirgspässe überqueren müssen. Während nun die Planwagen aus Missouri westwärts ziehen, marschieren wir nach Osten. Im Hochsommer, um den 1. Juli herum, treffen wir in Santa Fé zusammen.«
    »Ich habe gesehen, was Sie von New York nach Santa Fé bringen«, sagte Garnet; »Stoffe und Haushaltsartikel. Wenn sie nun aber in entgegengesetzter Richtung reisen, von Kalifornien nach Santa Fé – was für Waren führen Sie da mit?«
    »Maulesel. Tausende von Mauleseln. Die kalifornischen Maulesel sind die besten der Welt. Die Missourihändler kaufen sie und treiben sie ostwärts. Außerdem bringen wir Seide und Jade aus China und Gewürze von den Inseln der Südsee.«
    Garnet starrte auf den Globus; sie sah die weite elfenbeinfarbige Fläche, auf der in Großbuchstaben G ROSSE AMERIKANISCHE W ÜSTE stand. Seide und Jade und Gewürze, dachte sie. Sie hob ihre Augen und fragte: »Wie weit ist es von Kalifornien bis Santa Fé?«
    »Ungefähr neunhundert Meilen.«
    »Wie?« sagte sie. »Wollen Sie behaupten, daß Sie alljährlich zweimal neunhundert Meilen auf Mauleseln reiten?«
    Oliver lachte: »Wir reiten tatsächlich über zwölfhundert Meilen auf jedem Weg. Im Vogelflug sind Los Angeles und Santa Fé

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