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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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rauh; ein Verlegenheitslachen. »Klein«, sagte er, »klein, Miß Cameron. Ich weiß, das klingt närrisch, dennoch ist es wahr. Man kommt sich vor wie ein Mann, der in einem Spielzeugdorf für Kinder umherirrt.« Er strich die widerspenstige Locke aus der Stirn. »Alle Dinge hier sind so lächerlich eng zusammengerückt«, fuhr er fort. »Mir kommt es immer vor, als wäre nirgends Raum zum Atmen; zuweilen habe ich das Gefühl, ersticken zu müssen. Dann wieder meine ich, ich müßte jeden Augenblick mit jemand zusammenstoßen. Es ist schwer zu sagen.«
    Die Kohlenreste im Kamin raschelten und seufzten wieder. Garnet stand auf und ging quer durch den Raum. Sie beugte sich zum Feuer nieder und fragte: »Wann – gehen Sie zurück?«
    Er schien einen Augenblick zu zögern, dann sagte er: »In etwa sechs Wochen verlasse ich New York.«
    »Das wäre also im März«, sagte Garnet.
    »Ja, im März. Ich werde die Waren, die ich hier kaufte, verpacken und nach New Orleans schicken. Von New Orleans bringe ich sie dann den Mississippi hinauf nach Independence.«
    »Und dann nach Santa Fé?«
    »Ja. Ich habe in Los Angeles einen Partner sitzen, einen Amerikaner namens John Ives. Er wird unsere Waren von Kalifornien nach Santa Fé bringen. Wir gehen dann gemeinsam mit der Mauleselkolonne nach Kalifornien zurück.«
    Garnet langte mit der Feuerzange nach dem Kohleneimer. »Lassen Sie mich das tun«, sagte Oliver. Er sprang auf die Füße, kam heran und nahm ihr die Zange aus der Hand.
    »Ist das nicht eine sehr gefährliche Reise?« fragte Garnet. »Gibt es da nicht Indianer in der Prärie, Kannibalen und was weiß ich für Greuel?«
    »Indianer gibt es natürlich. Daß sich Kannibalen darunter befinden, glaube ich kaum. Sicher ist eine solche Reise nicht ungefährlich, aber wir sind recht gut bewaffnet. Die Karawanen kommen immer durch.«
    Garnet hatte das sonderbare Gefühl, ihre Kehle verenge sich. Als Oliver die Kohlenzange aus der Hand legte, rief sie im Banne eines impulsiven Gefühls: »Oh, ich beneide Sie!«
    »Tun Sie das, Garnet?« sagte Oliver und sah sie an. Es war das erste Mal, daß er sie beim Vornamen nannte; sie schien es gar nicht bemerkt zu haben.
    »Begreifen Sie das denn nicht?« rief sie. »Sie gehen in ein großes, fremdes, wunderbares Land, schön und voll erregender Abenteuer; währenddessen tue ich die gleichen Dinge, die alle Leute hierzulande tun. Ich übe Musikstücke, kaufe Kleider bei Stewart’s und besuche Schauspiele im Parktheater. Und im Sommer, wenn Sie auf dem Zug nach Westen sind, bin ich in Rockaway Beach.«
    »Gehen Sie jeden Sommer nach Rockaway Beach?«
    »Nein, wir gehen nach verschiedenen Orten, aber sie gleichen einander wie ein Ei dem anderen. Mutter redete davon, daß wir im nächsten Jahr nach Europa fahren könnten.«
    »Und – interessiert Sie das nicht?« fragte Oliver.
    »Aber ja, es interessiert mich schon, auf eine Art jedenfalls, nur –; sie hielt inne.
    »Fahren Sie doch fort, Garnet«, sagte er, »erzählen Sie.«
    Alle Gedanken, die sie so lange im Kopfe bewegt hatte, sprudelten nun über ihre Lippen: »Ich habe nie und zu niemandem so gesprochen wie jetzt. Aber Sie werden es verstehen; Sie werden wissen, was ich meine. Europa – was wäre da schon für ein Unterschied? Wir gehören zu den Menschen, die ihre Welt mit sich führen, wohin immer sie gehen. Das erste Hotel einer Stadt gleicht dem ersten Hotel einer anderen Stadt. Nette Leute sind hier wie dort nette Leute. Begreifen Sie, was ich sagen will?«
    Oliver ergriff ihre beiden Hände und hielt sie fest. »Garnet«, sagte er, »was möchten Sie denn tun?«
    Sie sah zu ihm auf. Sie dachte, daß es ungehörig sei, einem Mann zu gestatten, ihre Hände so lange und auf solche Weise zu halten. Aber er flirtete ja nicht. Er lächelte still und ruhig; ein sonderbarer Ernst war in diesem Lächeln. Sie sagte:
    »Ich möchte erfahren, was in der Welt vor sich geht! Ich möchte wissen, wie die Menschen beschaffen sind, die anders sind als ich. Es gibt so viele Arten von Menschen, und ich weiß nichts von ihnen. Ich begegne ihnen auf der Straße und gehe an ihnen vorüber. Ich frage mich: was sie tun, wie sie leben, was sie denken, womit sie sich beschäftigen, auf welche Weise sie sich vergnügen. Ich möchte die Theater, die Restaurants und überhaupt alle Stätten kennenlernen, die zu besuchen mir nicht erlaubt ist. Ich mag das Parktheater nicht mehr sehen. Ich möchte in den ›Schmuckkasten‹ gehen.« Das Wort war ihr

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