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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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stammt aus Kalifornien«, sagte er.
    Garnet zog ihren Rock ein wenig von den Füßen zurück. Sie trug schwarze Pumps aus Ziegenleder, die mit Bändern um die Knöchel befestigt waren. »Wie?« sagte sie erstaunt, »wollen Sie sagen, daß die Schuhe, die ich trage, aus Kalifornien stammen?«
    Er lachte sie an; er freute sich der Gelegenheit, ihre zierlichen Fußgelenke bewundern zu dürfen. Garnet gewahrte seinen Blick und ließ ihren Rock fallen, aber die Sache interessierte sie zu sehr; sie überwand schnell die leichte Verlegenheit. »Bringen Sie die Häute auf dem Überlandpfad?« fragte sie.
    »Nein«, antwortete er. »Häute lassen sich schlecht auf Mauleseln transportieren. Die Yankeeschiffe aus Boston nehmen sie am Pazifik an Bord. Hier bekommen wir auch unsere Chinawaren, die wir nach Santa Fé mitnehmen.«
    Garnet hatte das Gefühl einer Verzauberung. Zwischen ihnen glimmte ein heimlicher Funke. Oliver erschien dem Mädchen in einer Art märchenhaften Lichtes. Es war ihr, als habe er selbst allerlei Wunderwaren an fernen, wunderbaren Orten gesammelt und zusammengetragen. Im Kamin war ein kleines, feines Geräusch. Die zerglühenden Kohlenreste fielen durch den Rost. Es hörte sich an wie ein Seufzer. Garnet erinnerte sich, daß die Mutter ihr aufgetragen hatte, auf das Feuer zu achten. Aber sie konnte sich jetzt nicht entschließen, das Gespräch zu unterbrechen. Sie sagte: »Was für eine Art Leute wohnen in Kalifornien?«
    Oliver sah die blauen Lichter in ihrem Haar; er starrte verzückt darauf, während er antwortete: »Mexikaner. Nur, sie haben es nicht gern, wenn man sie so nennt. Sie wollen Kalifornier genannt werden. Dann gibt es da ein paar hundert Fremde wie Charles und mich, meist Amerikaner.«
    »Und Indianer? Sicher gibt es auch Indianer dort?«
    Er zuckte die Achseln: »Es gibt da so eine Art zweibeiniger Tiere. Sie Indianer zu nennen, hieße Navajos und Sioux und alle übrigen roten Völkerschaften beleidigen. Wir nennen sie in der Regel Digger.«
    »Und die Mexikaner – oder Kalifornier – wie sind sie dorthin gekommen?«
    »Vermutlich sind sie Nachkommen einiger spanischer Kolonisten, die die spanische Regierung vor rund achtzig Jahren von Mexiko heraufgeschickt hatte. Aber das spanische Empire stirbt. Die Kolonisten wurden zusammen mit einigen Priestern hinaufgeschickt, um die Digger zu bekehren; dann wurden sie wahrscheinlich vergessen. Später, als Mexiko seine Unabhängigkeit von Spanien erlangt hatte, schickten die Mexikaner Gouverneure nach Kalifornien. Aber Kalifornien ist so weit aus der Welt und so schwer zu erreichen, daß Mexiko ihm kaum Aufmerksamkeit schenkte. Die Leute, die einmal da waren, lebten weiter, wie sie begonnen hatten. Kalifornien ist ein nahezu unbevölkertes Land. Es umfaßt ein ungeheures Gebiet; es ist größer als New York und New England und Ohio zusammen, und doch ist es von einem Ende bis zum anderen nur von etwa sechstausend weißen oder wenigstens teilweise weißen Menschen bewohnt. Die Digger – ich weiß nicht, wieviel ihrer sind – sterben aus. Oh, Miß Cameron, Sie können dort reiten von der Morgen-bis zur Abenddämmerung, ohne einer Menschenseele zu begegnen.«
    Garnet hatte zeit ihres Lebens an bevölkerten Orten gelebt. Sie vermochte sich eine so ungeheure Leere nur schwer vorzustellen. »Und –, sagte sie leise, »das Land – wie sieht es aus? Wie ist es beschaffen?«
    Oliver wandte den Kopf dem Fenster zu und sah in die Sonne hinaus, deren Strahlen auf den vereisten Bäumen am Union Square glitzerten. Er führte seine Gedanken von New York nach Kalifornien zurück. Langsam, beinahe andächtig, sagte er:
    »Es ist ein – wundervolles Land, Miß Cameron. Es ist schön auf eine seltsame Art, die schwer zu beschreiben ist. Menschen, die niemals dort waren, kann man kaum einen wirklichen Eindruck vermitteln. Da gibt es Berge und Schluchten und Wüsten; meilenweite Strecken, die Blumenteppichen gleichen. Riesige Viehherden grasen an den Abhängen. Es gibt große, ausgedehnte Ranchos und kleine, verstreut liegende Dörfer. Überall aber ist Weite und Leere und Größe. Alles dort ist groß. Gemessen an den kalifornischen Bergen mögen die Adirondacks wie kleine Pickel auf dem Antlitz der Erde erscheinen.«
    Garnet ließ ihren Blick durch das Zimmer gleiten. Seine ruhige Behaglichkeit erschien ihr mit einem Male eng und muffig und dumpf. »Wie erscheint Ihnen New York, nachdem Sie Kalifornien sahen?« fragte sie still.
    Sein Lachen klang ein wenig

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