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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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neunhundert Meilen voneinander entfernt; auf dem Landwege muß man erhebliche Umwege machen. Unter anderem muß man einen Canyon umgehen.«
    »Was ist ein Canyon?«
    »Eine Erdspalte. Oder eine Bergschlucht, wenn Sie so wollen. Der Canyon des Colorado-River, von dem ich hier spreche, ist einer der größten. Er muß umgangen werden.«
    »Gibt es eine Straße von Los Angeles nach Santa Fé?«
    »Nicht die Andeutung einer Straße. Nur die Spur, die wir im Kopf haben.«
    »Eine namenlose Spur also?«
    »Je nun, jedes Ding hat seinen Namen. Man sprach früher vom Großen spanischen Pfad. Spanische Forschungsreisende haben die Reise nämlich zum ersten Male gemacht. Wir nennen unsere Treckspur den Jubelpfad.«
    »Wie sonderbar!« sagte Garnet. »Aber es klingt gut. Warum Jubelpfad?«
    Ein schmales Lächeln überzog sein Gesicht. »Solche Reise ist ein hartes Stück Arbeit«, sagte er. »Jedesmal, wenn wir das Ende vor uns sehen, möchten wir jubeln.«
    Garnet sah auf den Globus und suchte im Geist die langen, harten Meilen des Karawanenzuges. Sie sagte: »Welch ein sonderbares Leben Sie sich erwählten! Wie war das: beabsichtigten Sie von vornherein, da draußen in unbekannter Wildnis zu leben, als Sie Boston verließen?«
    Er schüttelte den Kopf: »Wir hatten das durchaus nicht im Sinn. Wir wollten gar nicht nach Kalifornien. Wir hatten vor, bis Santa Fé zu gehen und dann mit den Männern aus Missouri zurückzukehren.«
    »Wir? Von wem sprechen Sie noch?«
    »Von meinem Bruder Charles. Seine Idee war es, nach Westen zu gehen.«
    »Charles?« wiederholte sie. »Ich glaube, Sie erwähnten bisher nicht, daß Sie einen Bruder hätten.«
    »Tat ich das nicht?« Olivers Augen wandten sich von ihr ab – zum erstenmal, seit er mit ihr sprach. Sie wanderten quer durch das Zimmer zum Kamin hinüber. »Je nun«, sagte er langsam, »ich habe allerdings einen Bruder. Merkwürdig, daß ich bisher nicht von ihm sprach. Charles ist zehn Jahre älter als ich.«
    Garnet lächelte: »Warum nennen Sie ihn nicht Charlie?«
    »Wen? Charles? Wahrhaftig, das wäre mir nie in den Sinn gekommen.« Er sah noch immer ins Feuer. »Charles gehört kaum zu der Sorte Männer, die man geneigt ist mit Kosenamen zu rufen.«
    »Oh«, sagte sie, »ist er zu würdevoll dazu?«
    »Vielleicht«, sagte er, »vielleicht ist das der richtige Ausdruck: Würdevoll!«
    »Wie kam es, daß Ihr Bruder etwas von Kalifornien wußte?«
    Oliver wandte ihr wieder sein Gesicht zu. »Oh«, sagte er, »von Kalifornien hatten wir schon früher gehört. Unsere Eltern starben, als ich noch ein Kind war; wir wuchsen dann bei meinem Onkel auf. Der leitete eine Schiffahrtsgesellschaft. In Boston werden viele Schiffe für den Westhandel beladen, die fahren nach Kalifornien, rund ums Kap Hoorn herum. Auch Überlandwagen nach Santa Fé werden dort ausgerüstet Charles arbeitete bei der Schiffahrtsgesellschaft meines Onkels. Er ist ehrgeizig; das war er schon immer. Eines Tages kam er zu mir, während ich noch in Harvard studierte, und schlug mir vor, das College zu verlassen und zusammen mit ihm in den Santa Fé-Handel einzutreten.«
    »Und Sie verließen sofort das College?«
    »Sogleich«, sagte Oliver. »Ich glaube, ich habe einen Freudenschrei ausgestoßen. Die Gelehrsamkeit liegt mir nicht. Wir nahmen Charles’ Ersparnisse und rüsteten ein paar Wagen aus. Charles gehört zu den Leuten, die immer Ersparnisse haben. In Santa Fé trafen wir mit den Händlern zusammen, die aus Kalifornien kamen. Sie erzählten uns, daß der Handel jenseits des Missouri-River profitabler sei. Deshalb beschlossen wir, nach Kalifornien zugehen.«
    »Und –, sagte Garnet, »als Sie dort ankamen – in Kalifornien – da gefiel Ihnen das Land und Sie blieben?«
    Er nickte bestätigend. »Ja, wir blieben. Ich bin noch immer im Handelsgeschäft, ich bin eine ziemlich ruhelose Seele und habe nicht viel Neigung, mich irgendwo niederzulassen. Charles ist anders. Er hat sich seßhaft gemacht. Wir haben eine Ranch in der Nähe von Los Angeles, die er verwaltet.«
    »Was ist eine Ranch?«
    »So etwas wie eine Farm. Nur, es wird da weniger angepflanzt. Hauptsache ist die Viehzucht. Das ist sehr wichtig wegen des Handels mit Häuten. Jedes Jahr werden Tausende und aber Tausende von Häuten und Fellen in Kalifornien verschifft.«
    »Zu welchem Zweck? Was tut man damit?«
    »Man verarbeitet sie zu Leder.« Oliver wies auf seine Schuhe. »Das Leder fast sämtlicher Schuhe, die in den Staaten angefertigt werden,

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