Kalla vom Loewenclan - Abenteuer in der Steinzeit
blickte man hinab inein schmales Tal, durch das sich in zahlreichen Schleifen ein schäumender Bach wand, der Otterbach.
Kühle Nebeldämpfe stiegen herauf, und es roch nach feuchter Erde. Auf der anderen Seite des Baches zog sich eine lange Hügelkette nach Osten. Der mittlere Hügel überragte die übrigen und wurde wegen seines schräg abfallenden Rückens Hyänenbuckel genannt. Wenn man von dort oben zur anderen Seite hinabsah, bot sich ein gewaltiger Anblick: Ein mächtiger Strom floss dort, der Grüne Fluss. Sein Bett schob sich ins Land hinein und ging in ein weites Flachland über.
Kalla wandte sich um. Der vordere Raum der Höhle war hoch und geräumig. Nach hinten zu wurde sie niedriger und verengte sich zu einem Gang, der tief in den Felsen hineinreichte. Dort verzweigte er sich in mehrere Nischen und Korridore, die als Vorratslager benutzt wurden. Entlang der Felswände verliefen halbhohe Steinsimse von unterschiedlicher Breite. Die schmalen Simse wurden als Abstellflächen genutzt, die breiten waren mit Fellen bedeckt, sie dienten als Schlafplätze. Ganz hinten schlief Mutter Sina, die Felldecke bis zur Nasenspitze hochgezogen. Eng an sie geschmiegt lag der kleine Jati. Davor, auf der rechten Wandseite, waren die Schlaflager von Ixi und Yonna. Ixi lag halb auf der Seite, mit leicht angewinkelten Beinen. Ihr Kopf lag in einem Nest von wirren dunklen Locken, und unter dem Schlaffell zeichnete sich ihr gewölbter Leib ab. Bald wird das neue Kind kommen, dachte Kalla, vielleicht heute schon?
Neben Ixi lag Yonna, die älteste der drei Schwestern. Ihre Augen hatten die Farbe des Flusses, die Haare glänzten wie Haselnüsse und ihre Haut war hell wie Birkenrinde. Kalla liebte und bewunderte die große Schwester, und siekonnte sich nicht satt sehen an ihren feinen Gesichtszügen und den weichen weißen Armen und Händen. Wenn Kalla ihr eigenes Haar betrachtete, dann fiel ihr das blasse Fell von jungen Feldmäusen ein, und ihre Arme und Beine, fand sie, erinnerten an die mageren Glieder eines Fohlens.
Kallas Blick fiel auf die leeren Schlafmatten nahe am Eingang, direkt neben der Feuerstelle. Auf der vordersten schlief normalerweise Mutter Sinas Gefährte Irinot, der Hüter der Höhle und der Anführer des Löwenclans. Doch jetzt, wo die große Herbstjagd bevorstand, war er mit Kallas Brüdern Flauko und Tavo unterwegs. Sie waren nach Norden aufgebrochen, um auszukundschaften, wie weit die Rentiere noch vom Tal entfernt waren. Wie die meisten Herdentiere folgten auch die Rentiere das ganze Jahr über einer festen Wanderroute, und in den späten Sommermonaten führte ihr Weg sie zum Fluss. Oft wanderten um diese Zeit auch Bisons und Mammuts hier im Stromland umher, und dann zogen die Jäger aus, um große Beute zu machen.
Aus der Nachbarhöhle erklang ein trockenes Husten. Es kam von der alten Tavilana. Schon im Frühjahr war sie schwach gewesen. Seither hatte sich ihr Zustand verschlimmert, und sie hustete unaufhörlich.
Kalla band den Gürtel über das knielange Lederhemd, zog die Wolfsfellweste darüber und griff nach ihrem Beutel. Er war aus Wieselfell genäht, und weil sie alles, was sie tagsüber fand, darin verstaute, nannte Kalla ihn ihren Findesack.
Zuerst wollte sie zu den Fallgruben gehen. Geh nicht außer Rufweite, hörte sie in Gedanken Mutter Sina mahnen, die es gar nicht gerne sah, wenn Kalla allein durch die Gegend streifte.
Doch die Fallgruben waren ja nicht weit entfernt. Vielleicht hatte sie wieder Glück, so wie vor drei Tagen? In zwei von vier Fallen hatte sie Beute gefunden, einen jungen Hasen und ein Schneehuhn. Stolz hatte Kalla die beiden Tiere nach Hause geschleppt, und die Frauen hatten sie gelobt. Das Hasenfleisch war zart und schmeckte hervorragend. Das Schneehuhn allerdings war schon alt und hatte fast einen ganzen Tag lang im Erdofen schmoren müssen, bis sein Fleisch einigermaßen genießbar war. Doch dafür hatten alle die hellen Brustfedern des Schneehuhns bewundert, die einen schönen Schmuckbesatz für eine Weste oder einen Gürtel abgeben würden.
Von den Fallgruben würde sie weitergehen, hinunter zum kleinen Wäldchen. Hier fanden sich um diese Zeit fast immer Pilze und Beeren und in jedem Fall eine große Auswahl an Kräutern.
Und zum Bach muss ich, fiel es ihr ein. Der Otterbach verdankte seinen Namen den vielen Fischottern, die sich dort tummelten, und in seinem Wasser fanden sich oft Tierknochen, Vogelfedern und anderes Treibgut. Einmal hatte Kalla sogar ein
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