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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis
Autoren: Unbekannter Autor
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gewesen, dass Lorenzo ihm beizeiten eine Braut aussuchen und Giuliano sich fügen würde.
    Doch Giuliano hatte sich in den Kopf gesetzt, die Ehe der Frau annullieren zu lassen - ein Ziel, das zu erreichen, falls Kardinal Riarios Kommen nicht als päpstliches Friedensangebot zu deuten war, Lorenzos Möglichkeiten bei weitem überschritt.
    Lorenzo hatte Angst um seinen jüngeren Bruder. Giu-liano war allzu vertrauensselig und nur zu gern bereit, stets das Gute in anderen Menschen zu sehen, um schließlich zu erkennen, dass er viele Feinde hatte - Feinde, die ihn allein aufgrund seiner Abstammung hassten. Im Gegensatz zu Lorenzo sah er nicht, dass sie die Affäre mit Anna nutzen würden, ihn zugrunde zu richten.
    Giuliano, die sanfte Seele, dachte nur an Liebe. Obwohl es unumgänglich gewesen war, hatte es Lorenzo nicht gefallen, so grausam zu ihm zu sein. Hinzu kam, dass er Giu-liano für seine hohe Meinung vom anderen Geschlecht keine Schuld geben konnte. Zuweilen sehnte er sich nach der Freiheit, die sein jüngerer Bruder genoss. An diesem Morgen beneidete Lorenzo ihn besonders; könnte er doch nur in den Armen einer schönen Frau verweilen und es Giuliano überlassen, sich mit dem Neffen des Papstes abzugeben. Dieser sah Lorenzo noch immer aufmerksam an und wartete darauf, etwas über den Verbleib des säumigen Bruders zu erfahren.
    Es wäre unhöflich, dem Kardinal die Wahrheit zu sagen -dass Giuliano eigentlich gar nicht beabsichtigt habe, die Messe zu besuchen oder Riario kennenzulernen -, stattdessen ließ sich Lorenzo auf eine artige Lüge ein. »Mein Bruder muss aufgehalten worden sein. Er kommt sicher bald; ich weiß, dass er Eure Heiligkeit unbedingt kennenlernen möchte.«
    Riario blinzelte; seine mädchenhaften Lippen wurden schmal.
    Aha, dachte Lorenzo. Vielleicht war Raffaeles Interesse mehr als nur nach außen hin diplomatisch. Giulianos gutes Aussehen war legendär, und er hatte in mindestens ebenso vielen Männern wie Frauen leidenschaftliche Gefühle erweckt.
    Guglielmo de' Pazzi lehnte sich über den Erzbischof und klopfte dem Kardinal aufmunternd auf die Schulter. »Keine Bange, Heiligkeit, er kommt schon noch. Die Medici behandeln ihre Gäste immer gut.«
    Lorenzo schenkte ihm ein dankbares Lächeln; Gugliel-mo schlug die Augen nieder, um Lorenzos Blick auszuweichen, und nickte nur kurz, ohne das Lächeln zu erwidern. Die Geste kam ihm merkwürdig vor, doch Lorenzo wurde sogleich von Francesco Nori abgelenkt, der ihm etwas zuflüsterte.
    »Maestro ... gerade ist Euer Bruder eingetroffen.«
    »Allein?«
    Nori warf einen kurzen Blick nach links zur Nordseite der Sakristei. »Er ist mit Francesco de' Pazzi und Bernardo Baroncelli gekommen. Das gefällt mir nicht.«
    Lorenzo runzelte die Stirn; es kümmerte ihn nicht. Er hatte Francesco und Baroncelli bereits begrüßt, als er die Kathedrale betreten hatte. Sein diplomatischer Instinkt jedoch gewann die Oberhand; er neigte den Kopf zu Raf-faele Riario und sagte leise: »Seht Ihr, Heiligkeit? Mein Bruder ist tatsächlich gekommen.«
    Kardinal Riario beugte sich vor, schaute nach links und erblickte Giuliano. Er schenkte Lorenzo ein eigenartiges, scheues Lächeln und zwang sich dann mit einer ruckartigen Kopfbewegung, wieder auf den Altar zu schauen, wo der Priester die heilige Hostie segnete.
    Diese Bewegung des jungen Mannes war so absonderlich und nervös, dass Lorenzo ein vages Gefühl der Angst überkam. Florenz war eine einzige Gerüchteküche, die er zum größten Teil ignorierte; doch Nori hatte vor kurzem erst berichtet, Lorenzo sei in Gefahr, auf ihn sei ein Anschlag geplant. Wie üblich konnte Nori nicht mit Einzelheiten aufwarten.
    Lächerlich, hatte Lorenzo ihn zurechtgewiesen. Getu-schelt wird immer, aber wir sind die Medici. Der Papst mag uns zwar kränken, doch selbst er wagt es nicht, seine Hand gegen uns zu erheben.
    Nun kamen ihm schlagartig Zweifel. Unter seinem Umhang tastete er nach dem Griff seines Kurzschwerts und umklammerte ihn.
    Sekunden später ertönte ein Ruf aus der Richtung, in die Riario geschaut hatte - die Stimme eines Mannes, die Worte unverständlich, leidenschaftlich. Unmittelbar darauf begannen die Glocken in Giottos Turm zu läuten.
    Lorenzo wusste sofort, dass Noris vermeintliche Gerüchte der Wahrheit entsprachen.
    Die beiden ersten Reihen lösten sich auf, ein unbeholfener Reigen sich bewegender Leiber setzte ein. In nächster Nähe schrie eine Frau auf. Salviati verschwand; der junge Kardinal stürzte sich auf
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