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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis
Autoren: Unbekannter Autor
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bitte für die, die dich verfolgen.
    Bei diesen Sätzen setzte Baroncellis Verstand ein. Lorenzo de' Medici hatte den Priester für diesen Sonntag persönlich ausgesucht. Wusste Lorenzo von der Verschwörung? Waren diese scheinbar harmlosen Worte eine Warnung, aufzugeben?
    Baroncelli warf Francesco de' Pazzi einen kurzen Blick zu. Sollte Francesco eine geheime Botschaft entdeckt haben, so ließ er sich nichts anmerken; er schaute mit leerem Gesichtsausdruck geradeaus auf den Altar, die Augen weit aufgerissen, Angst und Hass gleichermaßen ausstrahlend. In seinem Unterkiefer zuckte unablässig ein Muskel.
    Die Predigt ging zu Ende.
    Die Messe verlief mit beinahe komischer Schnelligkeit: Man stimmte das Credo an. Der Priester sang Dominus vobiscum und Oremus. Die Hostie wurde mit dem Gebet Suscipe sancte Pater geweiht.
    Baroncelli holte tief Luft und hatte das Gefühl, sie nie wieder ausstoßen zu können. Die Zeremonie wurde plötzlich langsamer; in den Ohren spürte er das verzweifelte Pochen seines Herzens.
    Der Diakon näherte sich dem Altar, um den goldenen Kelch mit Wein zu füllen; ein zweiter Diakon fügte ein wenig Wasser aus einer Kristallkaraffe hinzu.
    Schließlich nahm der Priester den Kelch entgegen. Vorsichtig hob er ihn himmelwärts, bot ihn der großen Holzschnitzerei dar, die über dem Altar hing - einem traurigen, gekreuzigten Gottessohn.
    Baroncellis Blick folgte dem Kelch. Ein Sonnenstrahl verfing sich in dem Gold und wurde vom Metall reflektiert, dass es blendete.
    Wieder sang der Priester, diesmal in schwankendem Tenor, der beinahe anklagend klang.
    Offerimus tibi Domine ...
    Baroncelli sah den jüngeren Medici neben sich an. Giu-lianos Miene war ernst, er hatte die Augen geschlossen. Seine rechte Hand war zur Faust geballt; die Linke umklammerte sie, und beide hatte er fest an die Lippen gepresst. Er hielt den Kopf gesenkt, als wäre er bereit, dem Tod ins Auge zu sehen.
    Das ist töricht, dachte Baroncelli. Er hegte keine persönliche Feindschaft gegen diesen Mann; eigentlich mochte er Giuliano, der nie darum gebeten hatte, als ein Medici geboren zu werden. Sein Streit mit ihm war rein politischer Natur und bestimmt nicht so erbittert, um sein Vorhaben zu rechtfertigen.
    Francesco de' Pazzi stieß Baroncelli unsanft in die Rippen, womit er ihm die unausgesprochene Botschaft übermittelte: Das Zeichen wurde gegeben! Das Zeichen wurde gegeben!
    Baroncelli seufzte widerwillig, unhörbar und zog sein großes Messer aus der Scheide.
6
    Kurz zuvor war Lorenzo de' Medici noch in ein höfliches, aber gedämpftes Gespräch mit Kardinal Raffaele Riario vertieft. Obwohl der Priester seine Predigt gerade zu Ende führte, dachten sich die wohlhabenden Makler der Macht von Florenz nichts dabei, vergnügliche oder geschäftliche Angelegenheiten während der Messe zu besprechen - sotto voce. Die gesellschaftliche Gelegenheit war einfach zu günstig, um ausgelassen zu werden, und die Priester hatten sich längst daran gewöhnt.
    Der hagere Riario sah jünger aus als siebzehn, und wenn er auch derzeit Student der Rechtswissenschaften an der Universität von Pisa war, verdankte er seine Einschreibung dort offensichtlich eher seiner Verwandtschaft mit Papst Sixtus denn einer angeborenen Intelligenz. Sixtus bezeichnete ihn als seinen Neffen - ein Euphemismus, dessen sich Päpste und Kardinäle zuweilen für die von ihnen gezeugten Kinder bedienten. Der Papst war äußerst klug, hatte diesen Jungen aber anscheinend mit einer Frau gezeugt, deren Zauber weder mit Schönheit noch mit Verstand zu tun hatte.
    Wie dem auch sei, Lorenzo war verpflichtet, dem jungen Kardinal einen angenehmen Aufenthalt in Florenz zu bereiten. Riario hatte eigens darum gebeten, sich mit den Medici-Brüdern zu treffen und sich ihr Anwesen mit der Kunstsammlung zeigen zu lassen; Lorenzo konnte diese Bitte schwerlich abschlagen. Es handelte sich schließlich um den sogenannten Neffen des Papstes - und obwohl Lorenzo von Sixtus in aller Öffentlichkeit gedemütigt, ja so-gar gezwungen worden war, den Mund zu halten, als die Medici von den Pazzi als päpstliche Depositare abgelöst wurden, war dies vielleicht ein Friedensangebot. Womöglich versuchte Sixtus Änderungen vorzunehmen, und dieses schlaksige junge Wesen in scharlachroter Robe war sein Gesandter.
    Lorenzo hatte es eilig, wieder in den Familienpalast zurückzukehren, um sich zu vergewissern, ob dies tatsächlich der Fall war; sonst wäre er über den Besuch des Kardinals erzürnt,
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