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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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stirbt -, dann werden sie keine Verwendung mehr für meinen Vater haben. Für Antonio ...«
    Sein Ausdruck wurde milde; er hatte Mitleid mit mir. Doch ich bemerkte auch seine Zurückhaltung.
    »Was kann ich tun?« Von ganzem Herzen glaubte ich an die Prophezeiung meiner Mutter, dem Propheten stehe der Untergang bevor. »Je länger ich bleibe, umso gefährlicher ist es für meinen Vater. Ihr müsst uns helfen. Bringt uns aus Florenz heraus. Nehmt uns mit nach Mailand.«
    »Lisa . Wenn es mir möglich gewesen wäre, hätte ich das längst gemacht. Aber so einfach ist das nicht. Da seid Ihr und Euer Vater und Euer Kind . und Eure Sklavin, vermute ich. Vier Menschen. Und Euch ist natürlich bewusst, dass Euer Kommen und Gehen beobachtet wird.
    Deshalb bin ich hier in der Santissima Annunziata geblieben, weil Ihr regelmäßig hierher kommen könnt, ohne Verdacht zu erregen. Aber Ihr werdet es niemals bis hinter die Stadttore schaffen, solange Euer Gemahl Einfluss ausübt.«
    »Also muss ich bleiben«, fragte ich verbittert, »bis es zu spät ist und mein Vater stirbt?«
    Meine Worte verletzten ihn, doch seine Stimme blieb freundlich. »Euer Vater ist kein hilfloser Mann. Er hat bis jetzt überlebt. Und für Euch wird schon bald die Zeit kommen, da Ihr fortgehen könnt. Das verspreche ich Euch. Sie wird kommen.«
    »Sie wird niemals früh genug kommen«, sagte ich.
    Heute wünschte ich, ich hätte mich geirrt.
66
    Florenz hungerte nach Savonarolas angekündigtem Wunder, und so kam es zu dem Ereignis, das unter dem Namen Feuerprobe bekannt ist.
    Während Fra Girolamos Schweigen hatte Fra Domenico ihn in der Kanzel von San Marco vertreten. Er war nicht so beliebt wie sein Meister, da er halsstarrig und etwas dämlich war - doch er war außerordentlich zäh und Savonarola geradezu fanatisch ergeben. Verbissen behauptete er, jedes Wort aus Fra Girolamos Munde sei ihm von Gott eingegeben.
    Auch andere hatten angefangen zu predigen - darunter ein freimütiger Franziskaner in Santa Croce, Fra Francesco da Puglia, der eine kühne Herausforderung verkündete:
    »Ich werde mit jedem durch das Feuer gehen, der beweisen will, dass Savonarola ein Prophet ist, der Gottes Wahrheit verkündet. Denn ich halte Fra Girolamo für einen Lügner und Ketzer und glaube, dass jeder, der durch das Feuer geht und etwas anderes glaubt, sterben wird. Ich würde selbst nicht erwarten, zu überleben . doch gewiss könnte jeder, der unbeschadet durch die Flammen läuft und Fra Girolamo glaubt und vertraut, anschließend versichert sein, dass er die Wahrheit spricht.«
    Domenico erfuhr von der Herausforderung. An einem Sonntag verkündete er an seinem Lesepult in San Marco, er habe die Absicht, durchs Feuer zu gehen. Seine leidenschaftliche Proklamation bewegte seine Gemeinde so sehr, dass alle, Männer wie Frauen gleichermaßen, begeistert anboten, mit ihm durch die Flammen zu gehen.
    Eine wilde Euphorie packte die Stadt. Ausnahmsweise waren die arrabbiati und die piagnoni einmal einer Meinung: Savonarola sollte die Herausforderung annehmen und zweifelsfrei beweisen, ob er von Gott auserwählt war oder nicht.
    Beide Parteien legten der Signoria den Vorschlag vor, die das Ereignis umgehend billigte und verkündete, man werde eine Bühne auf der Piazza della Signoria errichten, und das Schauspiel solle am siebten April, einem Samstag, in der ersten Stunde nach Mittag stattfinden. Alle Welt war begierig, den Wettstreit mit anzusehen. Wie der geachtete arrabbiato Leonardo Strozzi es formulierte: »Wir fordern zügige Klarstellung über Savonarolas Eingebung: von Gott oder vom Teufel.«
    Alle waren gespannt, ausgenommen Savonarola. Er be-daure, so sagte er, dass seine Anhänger es darauf anlegten, sich auf eine Prüfung einzulassen, die zum Tod eines Menschen führen könne; sie hätten doch gewiss hinreichend Beweise für seine Eingebung und sollten eigentlich keiner weiteren bedürfen. In aller Öffentlichkeit tadelte er Domenico dafür, dass er ihn in eine Situation hineinmanövriert habe, »die sich für andere als gefährlich erweisen könnte«. Er versuchte - erfolglos - die piagnoni zu überzeugen, dass die Feuerprobe eine nutzlose, hoffärtige Darbietung sei.
    Doch er konnte sie nicht verhindern. »Wenn mein Herr und Meister nicht in die Flammen geht«, sagte Domenico schlau, »dann gehe ich selbst hinein und beweise, dass er Gottes Auserwählter ist.«
    So kam es, dass mein Gemahl und ich am Samstag, dem siebten April, um zehn Uhr morgens in unserer

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