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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Kutsche zum Palazzo della Signoria fuhren. Außergewöhnliche Sicherheitsmaßnahmen waren ergriffen worden: Fremde waren aus der Stadt vertrieben und alle Stadttore verschlossen worden. Florenz wurde von kleinen Armeen aus der Nachbarschaft bewacht, und die Straßen füllten sich mit piagnoni, die zu Fuß unterwegs zur Piazza waren. Bis auf drei waren alle Zugänge zum Platz abgeriegelt, und diese drei wurden von den Soldaten der Signoria bewacht.
    Frauen durften das Schauspiel nicht mit ansehen - zumindest die Frauen nicht, die keinen einflussreichen Mann mit Kutsche hatten. Und mein Gemahl war inzwischen einer der einflussreichsten Männer in Florenz: Für die laufende Sitzungsperiode war er endlich zum Prior gewählt worden. Wir hatten ein Fest zur Feier dieses Ereignisses veranstaltet - mit großem Aufwand sogar, woran sich seine piagnoni anscheinend nicht störten.
    Francesco war sehr stolz darauf, die lange scharlachrote Tunika eines Priors zu tragen, und dieser Morgen bildete keine Ausnahme. Sobald die Wachen die Tunika sahen, verneigten sie sich. Francesco grüßte die Männer mit liebenswürdiger, gönnerhafter Geste, und wir wurden durchgewunken. Mal schenkte Francesco mir sein gütiges, ruhiges Lächeln, dann wieder runzelte er die Stirn und war in sich gekehrt. Er hoffte wohl, die Angelegenheit würde zu Savonarolas Gunsten ausgehen.
    Unser Ziel war der Palazzo, wo Francesco sich entschuldigte und sich zu den anderen Prioren gesellte, die in der ringhiera saßen, einer umzäunten, überdachten Veranda vor dem Palazzo, die den besten Blick über den gesamten Platz bot. Ich nahm nicht weit davon entfernt in einer diskreten kleinen Loggia Platz, die mit bequemen Stühlen für die Gemahlinnen der Amtsträger ausgestattet war, insgesamt vier. Meine Gefährtin war Violetta, die goldblonde Gemahlin von Francesco Valori, der von Hass zerfressen den Kopf von Bernardo del Nero gefordert hatte. Der Morgen war kühl, doch Violetta hatte einen Fächer mitgebracht und wedelte nervös damit, während sie von dem Wunder sprach, das sicher bevorstand. Wie wunderbar, sagte sie, wenn die arrabbiati endlich zum Schweigen gebracht würden.
    Ich konzentrierte mich auf die Umgebung. Die Prioren, darunter Gonfaloniere Valori und mein Gemahl, saßen neben dem massiven Steinlöwen, dem königlichen Mar-zocco, von Donatello gemeißelt. In der Nähe des Löwen ruhte das eine Ende einer großen Holzplattform auf Stützen. Sie ragte hoch auf und war so schmal, dass zwei Männer nicht Seite an Seite darübergehen konnten. Darunter war ein Graben, angefüllt mit Ästen und Reisig; darauf lagen sauber aufgestapelte, nicht gebrannte Ziegelsteine, die verhindern sollten, dass die Plattform vom Feuer verzehrt wurde. Diese Vorrichtung überspannte den Platz von einem Ende bis fast zum anderen.
    Die Atmosphäre war beinahe wie beim Karneval. Das Wetter war heiter, der Himmel wolkenlos und klar. Die Fußgänger, die sich schon früh auf der Piazza versammelt hatten, waren in Feststimmung. Die piagnoni trugen zum Beweis ihrer Loyalität kleine rote Kreuze und sangen Hymnen; die arrabbiati und die Parteilosen stimmten unflätige Lieder an und rissen lauthals Witze. Obwohl Savonarola die Gläubigen zum Fasten aufgerufen hatte, erschienen Diener aus dem Palazzo und boten uns Damen Brot, Käse und Wein an, als wären wir bei einem Turnier.
    Schließlich tauchten zwei Männer mit Krügen auf und machten sich daran, Holz und Reisig mit reichlich Öl zu tränken. Andere Männer brachten Fackeln und setzten den Graben in Brand; die Menge jubelte. Dunkle Rauchwolken stiegen auf. Etwa eine Stunde lang herrschte ausgelassene Fröhlichkeit unter den Menschen, Erregung machte sich breit, als die Flammen immer höher schlugen, legte sich dann aber und verwandelte sich in Unruhe.
    Nach einer weiteren Stunde wurde unsere Langeweile durch das Auftauchen der Franziskaner zerstreut: Sie kamen gemeinsam, in grauen, unordentlichen Kutten, ein aufgescheuchter Taubenschwarm. Ihr Sprecher ging sogleich zu den Prioren in der ringhiera, wo sie die Köpfe zusammensteckten und sich berieten. Unterdessen nahmen die übrigen Franziskaner in einer Loggia neben uns Platz.
    Violetta verblüffte uns alle; sie legte ihren Fächer ab, trat an unsere Steinbalustrade und zischte den Franziskanern zu: »Warum spricht er mit ihnen? Wird Euer Bruder nicht ins Feuer gehen?«
    Damit zog sie den verächtlichen Blick eines jungen Mönchs auf sich, der sich gegen den Rat der Älteren

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