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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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umdrehte, um ihr zu antworten. »Er wird gehen. Er hat keine Angst. Aber wir haben Grund zu der Annahme, dass Fra Domenico ...« - denn er war es, nicht Savonarola, der standhaft behauptete, er werde ins Feuer gehen - »verhexte Kleidungsstücke trägt.«
    »Lüge!«, entgegnete Violetta. Die Gemahlin eines buo-nomo und ich zogen sie wieder auf ihren Platz.
    Die Dominikaner kamen spät; die Signoria schickte zögerlich den Träger eines Amtsstabes, um sie auf die Piazza zu geleiten. Ihre Ankunft war höchst dramatisch: Fra Domenico ging voran und trug ein Märtyrerkreuz auf der Schulter, das beinahe so groß war wie er selbst. Savonarola folgte mit einem kleinen silbernen Gefäß, in dem die Hostie war, denn er hatte darauf bestanden, Domenico sei erst dann sicher, wenn er die Hostie mit in die Flammen nähme. Hinter ihnen kamen die Männer der Gemeinde San Marco mit Fackeln und weiteren kleinen roten Kreuzen, dann folgten die übrigen Mönche.
    Die Menge brach in Pfiffe und Buhrufe aus, in Freudenschreie und Schluchzen. Männer brüllten Flüche, Segnungen, Gebete und Beleidigungen. Die Mönche, Franziskaner wie Dominikaner, stimmten eine Hymne an.
    Schließlich nahm das Gefolge von San Marco seine
    Plätze in sicherer Entfernung von den Franziskanern ein; dann bedeutete Francesco Valori, der Gonfaloniere, Domenico und Savonarola, vor die ringhiera zu treten.
    Ich beobachtete ihr Gespräch, ohne viel davon mitzubekommen: Valori sprach zu Savonarola, der aufgebracht gestikulierte. Domenico - der das Kreuz inzwischen abgesetzt hatte - legte seinem Meister beruhigend eine Hand auf die Schulter. Dann führten Valori und mein Gemahl Domenico in den Palazzo della Signoria.
    Ein Murren lief durch die Menge. Nach der langen Wartezeit verstanden die Schaulustigen nicht, warum Domenico plötzlich verschwand. Uns Frauen jedoch war es klar, und ich war nicht überrascht, als Domenico kurz darauf in einer Franziskanerkutte auftauchte. Violetta stieß mich an und sagte so laut, dass die Franziskaner nebenan es hörten: »Seht Ihr? Wenn seine Kleidung verhext war, hätte er sie nicht so schnell und zuvorkommend abgelegt. Er hat keine Angst, in die Flammen zu gehen.«
    Fra Domenico und Savonarola schritten auf das eine Ende der Plattform zu, an dem zwei Soldaten und Fra Giu-liano warteten, der junge Franziskanermönch, der sich als Freiwilliger gemeldet hatte, mit Domenico ins Feuer zu gehen. Dann trat der junge Franziskaner vor und hielt sie auf - woraufhin Domenico und Savonarola sich veranlasst sahen, wieder zur ringhiera zurückzugehen.
    Die Menge seufzte verärgert.
    Valori, mein Gemahl und zwei weitere piagnoni schnitten Domenico den Weg ab und redeten hastig auf ihn ein. Domenico schüttelte angewidert den Kopf, ließ sich aber noch ein weiteres Mal in den Palazzo führen.
    Violetta neben mir klappte den Fächer zu, ließ ihn auf ihren Stuhl fallen und ging zur Balustrade, von der man in die Loggia blicken konnte. »Und was ist nun wieder los?«, rief sie herausfordernd. »Vermutlich wollt Ihr mir jetzt sagen, Domenico selbst sei verhext und könne nicht ins Feuer gehen!«
    Ein älterer Franziskaner drehte sich zu ihr um. »Gewiss nicht, Madonna. Aber kann es nicht sein, dass Fra Domenicos Unterwäsche ebenso verhext ist wie seine Oberbekleidung? Vielleicht fällt es Euch schwer zu verstehen, doch es gibt unter uns einige, die ernsthaft glauben, dass Fra Girolamos Macht nicht Gott, sondern einer viel düstereren Quelle entspringt.«
    »Das ist doch lächerlich!« Violetta beugte sich über die Balustrade. »Ihr haltet uns nur hin, weil Ihr Angst habt!«
    »Natürlich haben wir Angst«, antwortete der Mönch gelassen. »Wir wissen, dass Fra Giuliano sterben wird, wenn er ins Feuer geht. Wir haben nur eine Frage.«
    Violetta wartete stirnrunzelnd auf die Antwort.
    »Wenn Fra Girolamo keine Angst hat - und er weiß, dass Gott ihn verschonen und als Propheten bestätigen wird -, warum geht er dann nicht sofort ins Feuer und legt die Angelegenheit bei?«
    Violetta zog sich zurück; sie nahm ihren Platz wieder ein und befächerte sich heftig, wobei sie etwas über die Ungerechtigkeit der Franziskaner vor sich hin murmelte. Ich aber entdeckte einen Schimmer des Zweifels in ihren Augen. Eine kühle Brise ließ meinen Schleier flattern. Ich schaute hinaus in den zuvor klaren Himmel. Plötzlich aufkommender Wind hatte flinke Wolken angesammelt, die nach Regen rochen.
    Wieder tauchte Domenico auf, vermutlich nachdem er die vermeintlich

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