Kalt, kaltes Herz
ich meine Jeans angezogen hatte, nahm ich das Telephon, ließ mich zu der Auskunft in Austin, Texas, durchstellen und erkundigte mich nach der Nummer der Universitätsklinik.
Ich wählte, und kurz darauf meldete sich die Zentrale. Ich bat, mich mit Ben Carlson zu verbinden, dem Herzchirurgen und Sarah Johnstons Ex-Freund.
»Wer spricht dort bitte?« fragte die Dame in der Zentrale. »Frank. Frank Clevenger.«
»Sind Sie ein Bekannter von Mr. Carlson, Sir?«
Wenn man auch nur ein Quentchen Autorität besitzt, nutzt man jede Gelegenheit, sie auszuspielen. »Ich bin sein Analytiker«, erklärte ich.
»Wie bitte, Sir?«
»Sein Psychiater aus Boston, Madam. Er wird den Anruf entgegennehmen.«
Etwa eine Minute später meldete sich Carlson. »Prozac kostet nur sechzig Eier den Monat. Wozu also brauche ich dich, Clevenger?«
Sein Ton verriet mir, daß er noch nicht von Sarahs Tod gehört hatte. »Für sechzig Eier kriegst du gerade mal zwanzig Milligramm pro Tag«, entgegnete ich. »Und die kommen weiß Gott nicht gegen deine Neurose an.«
»Wenn ich es schlucke. Aber ich schnupfe das Zeug.«
»Bleibt dir die Kapsel nicht in der Nase stecken?«
Er lachte leise. »Du kannst es hier wirklich auf der Straße kaufen. Für fünf Dollar die Dosis. Wir haben uns den falschen Beruf ausgesucht.«
»Scheint mir manchmal auch so.«
»Wie lange ist es her? Acht oder neun Monate?«
»So in etwa.«
»Noch immer Gerichtsmedizin?«
»Genau.«
»Dann bist du wahrscheinlich besser dran. Die Krankenversicherungen sind die einzigen, die an Patienten noch Geld verdienen. Sie schöpfen den Rahm ab.« Er schwieg. »Aber du warst wirklich gut.«
»Manchmal. Wenn ich nicht gerade meinen Durchhänger hatte.«
»Ja, das stimmt. Dieser Junge, ich weiß. Wie lange willst du dich noch damit quälen? Es gibt nicht nur Herzkrankheiten mit tödlichem Ausgang, sondern auch psychische Leiden, an denen man stirbt. Wir können nun mal nicht zaubern.« Einige Sekunden lang schwiegen wir beide. »Aber du hast sicher nicht angerufen, um dir meinen Vortrag anzuhören.«
Ich holte tief Luft. »Ich habe schlechte Nachrichten, Ben. Es geht um Sarah.«
»Ist sie krank?«
»Ich hätte eher anrufen müssen, aber ...«
»He, Alter, ich habe einen Notfall auf dem Tisch liegen, einen Bypass. Also raus mit der Sprache!«
»Sie ist ermordet worden. Man hat sie im Wald hinter dem Krankenhaus gefunden.«
»Ermordet? Sie ist tot?«
»Sie war die erste, nach ihr gab es noch ein Opfer. Sieht nach einem Serienmörder aus.«
Er räusperte sich. »Wann war das?«
Ich mußte selbst überlegen. »Vor ein paar Tagen«, sagte ich dann. »Du meine Güte. Haben sie den Kerl geschnappt?«
»Nein, noch nicht. Aber ich arbeite dran. Deshalb rufe ich dich auch an. Ich muß dich was fragen.«
»Was du willst.«
»Stimmt es, daß sich Sarah die Brüste vergrößern lassen hatte?«
»Ja.«
Die Dusche rauschte nicht mehr. Ich hörte Rachel im Badezimmer hin und her gehen. »Wer war der Chirurg?«
»Warum willst du das wissen?«
»An ihrem Leichnam wurde wüst herumgeschnippelt. Man hat ihr die Implantate entfernt.«
»Sie wurden ihr rausgeschnitten?«
»Genau.«
»Oh, mein Gott!« Er wurde wieder still.
»Also wer, Ben?«
»Ich will niemanden ohne Grund in Schwierigkeiten bringen.«
»Ohne Grund? Sie wurde ermordet!«
»Und wenn. Ihr Arzt war es sicher nicht.«
Darauf gab ich lieber keine Antwort.
»Also gut«, sagte er schließlich. »Der Eingriff wurde durchgeführt, bevor Sarah und ich uns kennenlernten. Und sie hatte mit dem Typen, der sie operiert hat, ein Verhältnis.«
»Sag mir, wie er heißt.«
»Ich sehe keinen Sinn darin, die Sache an die große Glocke zu hängen. Du weiß doch selbst, welches Trara heute gemacht wird, wenn ein Arzt mit der Patientin bumst. Das ist nicht mehr so wie früher. Ehe man sich's versieht, schnüffelt einem die Ärztekammer nach und ...«
»War es Trevor Lucas?«
»Wie kommst du auf Lucas?«
»War nur eine Vermutung.«
»Aber von mir hast du das nicht erfahren.«
Ein Musterbeispiel an Zivilcourage, dachte ich. »Wenn's sein muß.«
»Er hat sie dazu überredet, ihr immer wieder gesagt, sie sei zwar schön, aber zu flach. Und im Grunde war Sarah nicht besonders selbstbewußt. jedenfalls hat sie es später bereut. Sie hatte Probleme mit den Implantaten.« Rachel kam, in ein Handtuch gewickelt, aus dem Badezimmer, ging zum Spiegel und bürstete sich die Haare. Ich fragte mich, ob sie schon wußte, daß Monique
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