Kalt kommt der Tod (German Edition)
wirkte, eine Ruhe, die, das wusste er, beinahe an Arroganz grenzte und auf andere auch so wirkte.
»Du könntest Eintritt nehmen«, sagte er zu Riesenberg.
»Die Hälfte davon wäre deins gewesen.« Wenn es darauf ankam, konnte der Alte lebensgefährlich charmant sein.
Packer sah sich jedes Gesicht an.
Er nickte Big Kokina zu.
»Ich hätte nicht im Traum damit gerechnet, dass wir uns so schnell wiederbegegnen.«
»Mir wär’s anders auch lieber gewesen«, erwiderte Kokina. Sein linker Arm, auf den er gestürzt war, hing in einer weißen Schlaufe. Die andere Hand auf der Hüfte wirkte eher trotzig als herausfordernd.
»Was hat denn der Catcher hier verloren?«, fragte Packer, jetzt an Riesenberg gewandt.
»Was glaubst du wohl, wer ihn nach Bremen geholt hat? Als Sponsor der Sixdays habe ich gewisse Verpflichtungen. Und wenn ich mich nicht täusche, braucht unser Sportsfreund ein bisschen Geld, um wieder auf die Beine zu kommen. Ich habe ihm eine Prämie versprochen, wenn er uns hilft.«
Big Kokina grunzte. In seinem Gesicht stand geschrieben, dass er mit Phong noch eine Rechnung offen hatte und der Tag kommen würde, um diese Rechnung zu begleichen.
»Hast du auch einen richtigen Namen?«, fragte Packer ihn. »Big Kokina, das hört sich an wie eine neue Cerealien-Mischung. Irgendwas mit Kleie und viel Zucker drin.«
»Mein Name ist«, sagte Kokina und richtete sich auf, »Alexej Morossow. Merk ihn dir und erinnere dich immer daran.«
»Ich hab viel von dir gehört«, sagte Kurt Vollmer zu Packer. »In letzter Zeit.«
»Ist alles wahr.«
»Bei dieser Sache baust du keinen Mist. Ich werde dir sagen, was du zu tun hast.«
Beim Anblick Vollmers fragte sich Packer, ob ein Spermium den ganzen langen Weg schwimmen würde, wenn es schon vorher wüsste, was aus ihm wird.
»Ich wünschte«, sagte er, »du könntest dich hören, wie albern das klingt. Niemand sagt mir irgendwas. Wenn jemand ein Problem damit hat, nur raus damit.«
»Immer noch die große Klappe«, sagte Vollmer.
»Setz dich hin und halt den Mund, Kurt«, fuhr Riesenberg dazwischen. »Es gibt Wichtigeres, als eure alten Animositäten wieder aufzuwärmen. Kurt, setz dich hin und halt den Mund!«
Vollmer blieb stehen, hatte aber plötzlich etwas Interessantes an seinen Fußspitzen zu entdecken.
Riesenberg dirigierte seinen Rollstuhl mit winzigen Bewegungen des Joysticks um den Schreibtisch herum und blieb unmittelbar vor Packer stehen. Auf seinen Knien lag eine Kaschmirdecke, unter der italienische Edelslipper mit Troddelquasten und goldener Designermarke an der Seite hervorschauten.
»Also, was willst du von mir?«, fragte Packer.
»Du verfügst über ein paar außergewöhnliche Eigenschaften. Sowie über gewisse für den Auftrag erforderliche Fähigkeiten. Du warst ein erstklassiger Ermittler«, sagte Riesenberg und schaute zu Packer auf. »Ich habe die ganzen Jahre verfolgt, was du machst. Du konntest nicht verhindern, was passiert ist. Es wird dir nicht noch einmal passieren.«
»Erspar uns die Details«, erwiderte Packer. »Ich bin sicher, jeder hier im Raum kennt sie. Etwa nicht?«
10
Vor drei Jahren war die Ehefrau des Präsidenten vom SV Werder Bremen entführt worden. Packer, damals Oberkommissar der Bremer Kriminalpolizei, hatte die Ermittlungen geleitet. Die Entführer verlangten hunderttausend Euro Lösegeld. Der Ehemann wollte zahlen.
Die Geldübergabe sollte nachts um zwei Uhr erfolgen, im Weserstadion. Die Entführer nannten die Tribüne, den Block, die Reihe und den Sitz, unter dem die Tasche mit dem Geld deponiert werden sollte. Packer wusste sie immer noch auswendig: Südtribüne, Block 46, Reihe 16, Platz 38. Unmittelbar unter den Plätzen für die Journalisten.
Vierundzwanzig Stunden vorher ließ Packer das Stadion und den Block 46 von einem Sondereinsatzkommando observieren. Um zehn Uhr morgens vor der Nacht der Übergabe tauchte ein Radfahrer auf, er bog vom Osterdeich auf den großen Parkplatz ab, fuhr weiter zum VIP-Eingang und verschaffte sich mit einem Schlüssel Zutritt zum Stadion. Alle Polizisten hielten ihre Position und warteten, dass es losging.
Hinter dem Fenster einer VIP-Loge postiert, sah Packer, wie der Mann langsam die Treppenstufen der Tribüne von Block 46 hinaufstieg und zehn Reihen über der Reihe 16 seinen Schlafsack ausrollte. Packer hatte richtig getippt: Der Entführer kannte sich aus im Weserstadion. Die Frage war nun: Arbeitete der Mann allein, oder lauerten im Hintergrund Komplizen, die
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