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Kalt kommt der Tod (German Edition)

Kalt kommt der Tod (German Edition)

Titel: Kalt kommt der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Sprado
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nur seine nackte Glatze. Er hatte sich Nazi-Kreuze auf beide Ohrläppchen tätowieren lassen. Grölend knallten sie die Flaschen gegeneinander und führten ein Tänzchen auf. Der Kleinste war der Wortführer, er sagte zu dem Musikanten, der versuchte, sich wieder aufzurichten: »Du und deine Scheißmusik, ihr verpisst euch jetzt, sonst fängst du dir noch ein paar. Unsere Straßen sind sauber. Gesocks wie dich wollen wir hier nicht haben, klar Alter?«
    Betrunken? Schwer zu sagen. Mit seinem Springerstiefel trat er dem Mann in den Unterleib. Der Mann knickte ein, sackte auf die Knie, Hände im Schnee, kippte mit geschlossenen Augen zur Seite und blieb reglos liegen.
    Gelächter.
    Einer drehte sich um und sah Packer.
    »Sieh an, noch so einer. Heute scheint unser Glückstag zu sein.«
    Er machte einen Schritt auf ihn zu und fuchtelte mit der Bierflasche vor Packers Gesicht herum. Der begutachtete den Nasenring seines Gegenübers. Der Ring war groß, baumelte beinahe bis zur Oberlippe hinunter.
    »Was bist du überhaupt für einer, hä?«, sagte der Mund unter dem Nasenring.
    »Der David Garrett der Schläger. Wenn du frech wirst, fiedle ich dir einen rein«, sagte Packer ungerührt.
    »Husch, husch, zurück in den Busch!«, krakeelte der Skin, er grinste und trat von einem Bein auf das andere wie ein geborener Idiot.
    In der Sögestraße war es still, keine Spaziergänger, keine Gaffer, sie waren unter sich.
    »Hat mit euch schon mal einer über Gastfreundschaft geredet?«, wollte Packer wissen. Ihm war es lieber, wenn er nett sein konnte, das fiel ihm leichter. »Hat wohl keinen Zweck, euch zu bitten, die Sachen aufzuheben und ihm zwanzig Euro in seinen Geldkasten zu werfen? Für seine Unannehmlichkeiten.«
    »Was ist bloß mit euch Ausländern los? Ihr seid alle so verdammt empfindlich. Dem da geht’s gut, siehste doch. Atmet wie ’ne Eins. Rein, raus.«
    Gelächter.
    »Fragt sich bloß, wie lange noch«, feixte der Kleine.
    »Ideale Staatsbürger seid ihr nicht gerade.«
    »Ich bin überhaupt kein Bürger«, sagte der mit der Flasche.
    »Hast du vor, die Flasche da in deiner Hand zu heiraten?« Packer wollte etwas Zug reinbringen.
    »Was?«
    »Oder willst du sie einfach nur festhalten?«
    »Mann, deine Art zu reden gefällt mir wirklich kein bisschen. Hier, Klugscheißer«, sagte der Mund unter dem Nasenring. In fassungsloser Verachtung fügte er hinzu: »Trink!«
    Die Bierflasche flog in der Hand des Skins auf Packers Gesicht zu. Er riss den Bambus aus der Tasche und schlug zu. Der Aufprall brach dem Burschen zwei Finger. Zwei der fünf Finger seiner Hand, die immer noch die Flasche umklammerten, er zuckte und schnappte nach Luft, sah seine verkorksten Finger an und ließ die Flasche endlich los.
    Der Nächste tastete ungeschickt nach einem Teleskopstock, der in seinem Gürtel steckte, fummelte ihn raus, doch ehe er ihn benutzen konnte, knallte ihm Packer das obere Ende des Bambus gegen die Schläfe. Er bäumte sich auf und taumelte, stürzte gegen das Schaufenster und kullerte mit den Augen, rutschte, beide Hände gegen den Kopf gepresst, an der Scheibe langsam nach unten.
    Von da unten funkelte er Packer wütend an. Er war sowieso ein fahler Typ, aber jetzt wurde er weiß.
    »Bist du einer dieser irren Käfigkämpfer, oder was? Ihr seid doch nicht ganz dicht im Kopf.«
    Packer zuckte mit den Schultern.
    »Es geht nun mal nicht jeden Tag glatt auf.«
    Und der Dritte? Er tat, was jeder aufrechte Skin tun würde: Er reckte den Finger, rief »Arschloch«, dann machte er, dass er wegkam.
    13
    Jenna hatte das Schauspiel aus einiger Entfernung verfolgt. Jetzt kam sie, die beiden Skins im Blick, vorsichtig näher.
    »Warum hast du das gemacht?«, fragte sie Packer.
    »Um ihnen Respekt einzuflößen. Um ihnen zu zeigen, dass ich kaltblütig bin. Na, wie klingt das?«
    »Du bist ein Idiot«, sagte Jenna.
    »Größtenteils«, sagte er.
    »Musste das wirklich sein? Ich hatte Angst, sie gehen auf dich los.«
    »Eine bessere Idee hatte ich nicht.«
    »Wirst du nie nervös?«
    »In turbulenten Zeiten wie diesen neigen die Menschen dazu, Halt und Zuflucht in den Traditionen zu suchen.«
    Das klang eine Spur zu pathetisch, aber wen sollte das kümmern? Jenna jedenfalls nicht, sie kniete neben dem Musikanten im Schnee. Er war so grau wie ein Norweger, der Urlaub in Grönland gemacht hat.
    »Es sieht so aus, als ob er tot wäre«, sagte Jenna. »Ist er tot?«
    Sie legte den Kopf des Musikanten in ihren Schoß, und er blutete

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