Kalt wie ein Brilliant
»Den mache ich fertig, bevor er bis drei gezählt hat, wenn er
überhaupt soweit kommt! Wir haben also genügend Zeit für unser kleines
Fragespiel. Okay?«
»Ich weiß von der ganzen Sache
überhaupt nichts«, behauptete sie entschieden. »Mr. Machin hat mich in das
Juweliergeschäft begleitet, und ich habe genau wie die anderen Mädchen das
Diadem aufgesetzt, damit die Fotografen ihre Aufnahmen machen konnten. Dann
sind wir wieder gegangen. Das ist alles.«
»Sie haben nichts Verdächtiges
gesehen oder gehört?«
»Nein, bestimmt nicht.« Sie
schüttelte mit wachsender Ungeduld die goldenen Locken. »Wenn Sie mir einen
Gefallen tun wollen, verschwinden Sie, bevor Pete seine schönen Augen wieder
aufschlägt, ja? Es wird schon schwierig genug sein, Marty diesen Zwischenfall
zu erklären. Und wenn Sie hierbleiben, machen Sie alles nur noch schlimmer.«
»Marty ist also Ihr Freund?«
Ich hatte heute meinen intelligenten Tag.
»So ungefähr!« Sie zuckte
gleichmütig die Achseln.
»Und Pete?« Ich deutete auf das
regungslose Häufchen Unglück.
»Ach, Pete nimmt sozusagen
Martys Interessen wahr«, erklärte sie, nur halb bei der Sache. »Wenn er Sie
beim Aufwachen nicht mehr sieht, kann ich ihn vielleicht davon überzeugen, daß
er sich wirklich geirrt hat, und wenn ich ganz großes Glück habe, verrät er
Marty nichts. Wenn er Sie aber noch hier vorfindet, wird er glauben, daß
wirklich etwas zwischen uns war, und dann...«
»Okay!« Ich hob bittend die
Hände, um ihren Redestrom zu unterbrechen. »Du hast mich überzeugt, Baby. Ich
gehe schon, aber ich komme wieder.«
»Willkommenskränze brauche ich
wohl nicht zu flechten?« Im Gegensatz zu ihrem luftigen Aufzug, der für heißere
Zonen berechnet zu sein schien, klang ihre Stimme bemerkenswert frostig.
»Nur keine Umstände!« sagte ich
beruhigend und ging zur Tür. »Schließlich kenne ich mich in dieser Wohnung gut
aus, Baby. Ich brauche dich ja nicht an unsere gemütlichen Wochenenden zu
erinnern, nicht wahr?«
Als ich endlich wieder in
meinem schnittigen Cabrio saß, war es glücklich beinahe sechs Uhr geworden.
Wenn man bedenkt, daß ich erst am frühen Nachmittag in Santo Bahia aus dem
Flugzeug gestiegen war, hatte ich schon ein tüchtiges Stück Arbeit hinter mir.
Für den ersten Tag reichte es mir jedenfalls, und einen Drink hatte ich mir
wohl verdient.
Im Hotel fragte ich beim
Empfang, ob vielleicht inzwischen ein Juwelendieb angerufen hätte, der darauf
brannte, nur billig ein Diamantendiadem zu verkaufen. Aber so viel Glück konnte
man nicht verlangen. Ich sagte dem Portier, daß ich in der Bar zu finden sei,
falls Anrufe für mich kommen sollten. Der Mann warf mir einen verständnisinnigen Blick zu. »Wo sollten Sie auch sonst sein?« schien
dieser Blick zu besagen. Ich habe etwas gegen stumme Anzüglichkeiten.
Der Laden nannte sich Luau Bar. Man bekam dort für das Doppelte des Preises, den
man anderswo für einen guten ehrlichen Tropfen bezahlt, wäßrige Rum-Cocktails in Kokosnußhälften aus Kunststoff
vorgesetzt. Ich entschied mich für einen Martini mit einem Spritzer Lemonensaft und begann langsam, mich zu erholen. Als der
dritte Martini vor mir stand, fühlte ich mich schon bedeutend besser. In diesem
Augenblick fragte eine schüchterne Stimme: »Mr. Boyd?«
Ich wandte mich um. Hinter mir
stand eine gutgewachsene Brünette, die ihre Kurven erfolgreich unter einem
strengen schwarzen Kostüm mit blendendweißer Bluse verbarg. Sie sah aus wie die
rechte Hand eines erfolgsbesessenen Industriekapitäns, der sich einmal im Jahr
ein Wochenende in Las Vegas leistet, um aller Welt zu zeigen, was für ein
toller Hecht er doch ist. »Beim Empfang sagte man mir, daß ich Sie hier finden
würde.« Sie brachte ein klägliches Lächeln zustande. »Ich bin Miss Lamont.«
»Die Dame kenne ich schon,
Schatz«, sagte ich so freundlich wie möglich, »und die Gefahr, daß man euch
beide verwechseln könnte, ist wirklich gering.«
Das Lächeln schien auf ihrem
Gesicht wie festgefroren. »Sie meinen natürlich Louise!« Sie spielte nervös am
Schloß ihrer Handtasche herum. »Ich bin Patty Lamont ,
ihre Schwester.«
»Setzen Sie sich doch«, sagte
ich einladend. »Louise hat mir gar nicht erzählt, daß sie eine Schwester hat.
Sind Sie das schwarze Schaf der Familie?«
Sehr verlegen ließ sie sich mir
gegenüber nieder. »So viel Charme wie Louise habe ich leider nicht, Mr. Boyd.
Ich bin eben nur eine einfache Arbeitsbiene.«
»Möchten Sie etwas
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