Kalt wie ein Brilliant
trinken?«
fragte ich. Alkohol beruhigt bekanntlich die Nerven. Meine hatten es nötig.
»Nein, danke.« Sie hielt die
Tasche wie einen Rettungsring umklammert. »Entschuldigen Sie, Mr. Boyd, daß ich
Sie hier so einfach überfalle. Ich habe in der Zeitung gelesen, daß Mr. Elmo
Sie beauftragt hat, sein Diadem wiederzubeschaffen.«
»Wenn Sie es preiswert anbieten
können, sind Sie hier an der richtigen Adresse«, sagte ich großartig. » Wieviel wollen Sie dafür haben?«
»Darum handelt es sich nicht.«
Sie wurde dunkelrot. »Ich hoffte, Sie könnten mir helfen. Zur Polizei möchte
ich nicht gern gehen.« Sie hielt einen Augenblick inne und rang nach Worten.
Ich trank von meinem dritten Martini, um die Pause zu überbrücken.
»Sehen Sie, Mr. Boyd«, fuhr sie
endlich mit ernstem Gesicht fort, »ich mache mir Sorgen um meine Schwester
Louise. Ich weiß nicht mehr aus noch ein. Ich brauche einfach Hilfe.«
»Wenn sich die Hilfe für Ihre
Schwester mit der Wiederbeschaffung des Diadems kombinieren läßt, bin ich Ihr
Mann«, erklärte ich großzügig. »Womit bereitet Ihnen denn die hübsche Louise
schlaflose Nächte?«
»Louise war immer ein bißchen
wild, Mr. Boyd.« In ihrer Stimme klang fast etwas wie Neid. »Ich bin das
Heimchen am Herde, wissen Sie. Unsere Eltern sind vor einigen Jahren bei einem
Autounfall ums Leben gekommen. Deshalb fühle ich mich als die ältere Schwester
auch ein bißchen verantwortlich für sie. Ich habe es nicht gern gesehen, daß
sie sich an der Schönheitskonkurrenz beteiligte, aber sie ließ sich den
Gedanken nicht ausreden. Und jetzt verkehrt sie mit so schrecklichen Leuten,
und ich habe das Gefühl, daß ihr irgend etwas Fürchterliches zustoßen wird.«
Patty Lamont lehnte sich in ihrem Sessel zurück, offenbar froh, daß sie sich ihren Kummer
vom Herzen geredet hatte. Ihr Gesicht nahm wieder einen strengen
altjüngferlichen Ausdruck an. Sie hatte gutgeschnittene Züge, von Rechts wegen
hätte sie hübsch sein müssen. Doch fehlte ihr eine wichtige Eigenschaft, die
ihre Schwester so begehrenswert machte: der Funken angeborenen Sex-Appeals. Man
hat ihn, oder man hat ihn nicht. Man kann ihn nicht im Laden kaufen wie
gefüllte Oliven oder Spitzenunterwäsche.
»Sie meinen also, daß Louise
irgendwie in den Juwelendiebstahl verwickelt war?« fragte ich hoffnungsvoll.
»Um Himmels willen, nein.«
Schon der Gedanke an etwas so Ungeheuerliches riß sie fast vom Stuhl vor
Entsetzen. »Aber sie verkehrt in schlechter Gesellschaft, Mr. Boyd. Ich weiß,
wie es hinter den Kulissen dieses Schönheitswettbewerbes zugeht, weil ich in
der Firma Poolside Plastics arbeite. Ich bin Mr. Machins Privatsekretärin.« Die Ankündigung wirkte wie ein
Fanfarenstoß. Großartiger hätte sie nicht ankündigen können, sie sei
Hohepriesterin in einem Heidentempel.
»Wollen Sie damit sagen, daß
bei dem Schönheitswettbewerb gemogelt wurde?« Ich versuchte verzweifelt, einen
Sinn in ihre unbestimmten Worte zu bekommen, aber ich hatte das Gefühl, durch
ein Meer von klebrigem Honig zu waten und keinen Schritt vorwärts zu kommen.
Sie hielt einen Augenblick inne
und überlegte ernsthaft.
Dann sagte sie nachdenklich:
»Auch Louise arbeitete für diese Firma, Mr. Boyd. Sie hatte einen sehr guten
Job als Privatsekretärin bei Mr. Rutter, dem Generaldirektor von Poolside Plastics.«
»Sie selber arbeiten also für
den Werbefritzen Machin .«
»Mr. Machin ist Direktor für
Public Relations«, stellte sie mit frostiger Stimme richtig. »Vor vier Monaten
gab Louise ohne ersichtlichen Grund ihre Stellung plötzlich auf. Als dann der
Schönheitswettbewerb angekündigt wurde, beschloß sie, daran teilzunehmen, und
jetzt ist sie glücklich in die Endausscheidung gelangt.«
»Die Preise sind wahrscheinlich
nicht zu verachten«, warf ich ein.
»Aber sie war doch immerhin
Angestellte der Firma gewesen, Mr. Boyd«, sagte Patty vorwurfsvoll. Mr. Machin
tat mir plötzlich leid. Patty Lamont mußte bei der
Arbeit von einem geradezu erdrückenden Pflichteifer erfüllt sein. So etwas muß
auf die Dauer jedem Chef auf die Nerven gehen.
»Vielleicht war es unserem
Freund Rutter gleichgültig, daß sie früher einmal für ihn gearbeitet hat«,
meinte ich ungeduldig. »Schließlich kann er als Generaldirektor ja bestimmen,
wer an dem Schönheitswettbewerb teilnehmen darf und wer nicht.«
»Hören Sie weiter«, sagte Patty
entschlossen. »Vom ersten Tag an war Louise davon überzeugt, daß man sie
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