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Kalte Berechnung - Eine Rachegeschichte

Kalte Berechnung - Eine Rachegeschichte

Titel: Kalte Berechnung - Eine Rachegeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Maucher
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hatte, was Du begehrtest, kam Dein Desinteresse an anderen Dingen als ihrem nackten Körper deutlich zum Vorschein. Anscheinend warst Du der Meinung, Du hättest genug Vorarbeit geleistet und könntest immer schneller zur Sache kommen. Es begann ihr aufzufallen, dass es Dir nur um Dich selbst und die Befriedigung Deiner Triebe ging. Und enttäuscht realisierte sie schließlich, dass sie, statt Liebe zu erleben, nur benutzt wurde. Sie begann sich zu zieren, Ausflüchte zu erfinden, ging auf Distanz.
    Natürlich ist mir aufgefallen, dass mein ohnehin ruhiges Kind noch stiller wurde. Sie zog sich immer mehr zurück, wirkte häufig niedergeschlagen und antwortete doch mit „Es ist nichts“, wenn ich sie fragte, was sie bedrückte. Diese Antwort verursachte mir eine Gänsehaut. Zu oft habe ich sie in meinem Leben schon gehört und immer ist sie gelogen.
    „Es ist nichts!“, hat meine eigene Mutter immer gesagt. Jedes Mal dann, wenn sie offiziell nur gestolpert war oder sich ungeschickt irgendwo angestoßen hatte; dabei waren die Streitereien meiner Eltern bis in mein Zimmer, und sicher auch über den Gartenzaun hinaus, lautstark zu vernehmen. Jeder wusste, warum meine Mutter im Sommer langärmlige Pullis trug. Keiner glaubte ihr die Augenentzündung, wegen der sie manchmal selbst dann ihre Sonnenbrille nicht abnehmen wollte, wenn es draußen schon dunkel wurde. Ich konnte es an den mitleidigen Blicken der Nachbarn erkennen, die stets freundlich grüßten, doch nie ein Wort sagten. Und ich wusste nur zu genau, was sich hinter unseren verschlossenen Türen abspielte, denn auch ich musste in diesem nur nach außen hin sicheren und trauten Heim leben.
    Ich hasse dieses verlogene „Es ist nichts“, weil es mir verrät, dass in meiner Welt eben nicht alles ist, wie es sein soll. Und doch bin ich dankbar, dass ich diesen Satz so gut kenne, denn sonst hätte ich ihn vielleicht überhört und die zunehmende Verschlossenheit meiner Tochter als pubertäre Laune abgetan. So jedoch alarmierte er mich, beunruhigte mich mehr, je öfter ich ihn von ihr hörte.
    Aber was kann man tun, wenn nur der Instinkt sagt, dass etwas nicht stimmt? Wachsam sein und auf die alarmierenden Zeichen achten? Schlechtere Noten können ein Indiz sein. Doch wenn aus einer Eins in Latein eine Zwei wird, bedeutet das womöglich nur, dass die letzte Klassenarbeit ein wenig schwerer war als die vorangegangene. Sicher sein kann man sich nicht.
    Natürlich versuchte ich, mit ihr zu sprechen. Ließ sie wissen, dass sie mit jedem Problem zu mir kommen könne und solle, denn ich würde immer für sie da sein. Aber meine Vierzehnjährige, die randvoll mit Scham und Angst vor der größten Peinlichkeit ihres bisherigen Lebens war, lockte ich damit nicht aus der Reserve. Als moderne, aufgeschlossene Mutter steht man nun vor einem Problem. Manches hat sich in den letzten Jahrzehnten in der Erziehung geändert: Man schlägt seine Kinder nicht – und man respektiert ihre Privatsphäre.
    Ich kam mir vor, als würde ich etwas Unrechtes tun, als ich zum ersten Mal in ihr Zimmer ging und ihre Sachen durchsuchte. Das Gefühl unterschied sich deutlich von jenem, das ich habe, wenn ich den Schrank meiner Tochter öffne, um ihre frisch gebügelte Wäsche hineinzulegen. Wie ein Einbrecher, der keine Spuren hinterlassen möchte, ging ich auf die Suche nach Informationen, wohlwissend, dass diese Art der Beschaffung gegen das verstößt, was ich als moralisch richtig empfinde.
    Zunächst fand ich nichts, was mir weitergeholfen hätte, und ich verließ ihr privates Reich mit einem schlechten Gewissen, aber nicht wirklich beruhigt. Ein paar Tage später, noch immer von innerer Unruhe und Zweifeln befallen, durchsuchte ich ihren Computer.
    Dort fand ich die Logfiles, die Aufzeichnungen eurer Gespräche, jeden eurer Dialoge. Mein Kind wusste noch nicht, wie man temporäre Dateien und die History eines Chats löscht. Mit jeder Zeile, die ich las, wuchs mein Hass. Als ich zu Ende gelesen hatte, musste ich mich übergeben. Ich hielt Dich für ein perverses Schwein. Inzwischen weiß ich, dass Du etwas wesentlich Schlimmeres bist.
    Ich habe im Verlauf gelesen, dass meine Tochter Dir schrieb, sie könne die Kamera nicht anmachen, weil ihre kleine Schwester ständig ins Zimmer käme. Du Schwein hast gefragt, wie alt die Kleine denn wäre, ob sie schon Brüste hätte und wie groß sie wären. Dann hast Du, darauf bedacht, Deine Worte wie einen Scherz wirken zu lassen, tatsächlich den

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