Kalte Schulter - heisse Kuesse
wechselte.
„Er beaufsichtigt die Einrichtung der Küche und kocht für die Bauarbeiter. Du kannst zusammen mit den anderen im Restaurant essen, oder wir bitten ihn, dir etwas fertig zu machen, wenn du lieber in deinem Chalet isst.“
„Ein Chefkoch? Na, der hat sicher großen Spaß daran, eine Horde hungriger Arbeiter zu füttern. Ständig Makkaroni mit Käse.“
„Adam ist ein Freund von mir. Er hatte Lust, hierherzukommen. Es ist für ihn eine Art Urlaub. Und die Jungs wissen es sehr zu schätzen. Nur weil jemand einen Hammer schwingt, heißt das ja nicht, dass er gutes Essen nicht zu schätzen weiß.“
„Nein, ich weiß.“ Chastity schwamm ein wenig schneller. Verflixt, jetzt hatte Gabe ihr vorgeworfen, Vorurteile zu haben, und damit hatte er auch noch recht. Trotzdem ärgerte sie sich über ihn. Denn solange sie sich über ihn ärgerte, konnte sie all die anderen aufkeimenden Gefühle verdrängen.
Am Ufer angekommen, griff Gabe nach seinen Sachen, und Chastity wandte sich in Richtung ihres Chalets.
„Tust du mir einen Gefallen?“, fragte er und ging neben ihr her, ohne einen Gedanken an seine nackte Brust und die nassen Boxershorts zu verschwenden, die ihm an der Hüfte zu kleben schien.
Um nicht in Versuchung zu geraten, hielt Chastity den Blick stur geradeaus gerichtet. „Kommt drauf an.“
„Sagst du mir Bescheid, bevor du schwimmen gehst?“
Am liebsten hätte sie Nein gesagt, doch er klang ernst und besorgt, also hob sie die Schulter und meinte: „Okay.“
„Versprochen?“
„Ja“, erwiderte sie seufzend.
„Bücher?“
Gabe musterte Chastity, die erschrocken von dem Buch aufsah, das sie gerade las, und offensichtlich einen Moment brauchte, bis sie wieder in der Realität angekommen war.
Ihre Tür hatte offen gestanden, also hatte er natürlich hereingeschaut. Und gesehen, dass sie mit angezogenen Beinen im Sessel saß und völlig in ihr Buch vertieft war. „Das war in deinem Koffer?“, ergänzte er, als sie nichts erwiderte.
Sie blickte zum Nachttisch, auf dem ein großer Stapel Bücher lag. „Unter anderem.“
Sie zuckte mit der Schulter – einer nackten Schulter, die nur von dem dünnen Träger ihres Sommerkleides bedeckt war. Obwohl das eigentlich nichts Besonderes war, war Gabe fasziniert. Seit er sie in ihrem Garten hatte knien sehen, hatte er einen anderen Blick auf sie. Irgendwie schien sie ihm auf einmal nicht mehr nur die geldgierige, eiskalte Frau zu sein, die sich seinen Bruder geangelt hatte. Auch sie besaß Gefühle und war verletzlich, obwohl sie so stark und unnahbar wirkte. Aber das änderte nichts an seinem Ziel: Er wollte als Vater ihrer Tochter anerkannt werden. Er würde es nicht ertragen, noch mehr Mitglieder seiner Familie an diese Frau zu verlieren. Doch es gab ja verschiedene Wege, dieses Ziel zu erreichen. Wer sagte denn, dass man nur mit Druck weiterkam?
„Ich habe immer gern etwas zu lesen dabei“, erklärte sie kämpferisch und gleichzeitig entschuldigend.
„Wir sind doch nur für eine Woche hier.“
„Meinst du, ich hätte noch mehr mitbringen sollen? Falls es anfängt zu regnen?“ Ihre Stimme war ausdruckslos, und Gabe wusste nicht, ob sie es ernst meinte oder ob sie ihn aufziehen wollte. Auf ihren vollen Lippen war kein Lächeln zu erkennen, aber ein faszinierendes Funkeln erhellte ihre Augen.
Gabe kam ins Zimmer geschlendert und sah, wie schnell dieses Funkeln verschwand, während sie hastig die Füße auf den Boden stellte. Fluchtinstinkt? Davon musste er sie kurieren.
Er warf einen genaueren Blick auf ihren Bücherstapel, der einen Thriller, den er schon lange hatte lesen wollen, ohne je die Zeit dafür zu finden, mehrere Liebesromane, einen Band mit politischen Essays sowie das Schwangerschaftstagebuch enthielt. Dann meinte er: „Sehr vielfältig.“ Auf jeden Fall sehr viel interessanter als die Finanzberichte, die er in letzter Zeit fast nur noch las.
„Ich weiß ja nie, worauf ich gerade Lust habe“, erklärte sie.
„Und wie sieht es aus? Hast du Lust auf Abendessen?“
Sie schaute auf ihr Handgelenk, wo ein blasser Hautstreifen sichtbar war, bevor sie die Wände des Chalets nach einer Uhr absuchte. Gerade so, als würde die Zeit darüber entscheiden, ob sie hungrig war oder nicht.
„Es gibt hier keine Uhren.“
„Und das liegt wohl nicht nur daran, dass die Einrichtung noch nicht komplett ist, oder?“
„Richtig. Denn der Sinn dieser Ferienanlage besteht ja darin, dass die Besucher die Zeit während ihres
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