Kalte Spur
in seinem Büro gehörten, das über einer Bar in der Bourbon Street lag.
»Wir wollen sie morgen verhören und hätten Sie gern dabei, weil Sie sie kennen«, sagte Portenson.
»Ich habe gedacht, sie zu kennen«, berichtigte Joe.
»Wie auch immer: Wir wollen Sie hierhaben.«
»In New Orleans?«
»Ich faxe Ihnen die Adresse unseres Regionalbüros, und wir reservieren Ihnen ein Zimmer in einem nahe gelegenen Hotel. Wenn Sie das Zubringerflugzeug nehmen, das Ihren Pampaflughafen in zwei Stunden verlässt, haben Sie in Denver Anschluss. Heute Abend können Sie hier sein.«
»Ich glaube nicht, dass ich mir das leisten …«
»Wir übernehmen die Kosten, Joe. Ist schon geklärt.«
Als Joe Pickett um Mitternacht in New Orleans landete, ging ein Wolkenbruch von biblischen Ausmaßen nieder. Auf dem kurzen Weg vom Flughafengebäude zum Taxistand wurde sein Stetson völlig durchnässt.
Trotz des Regens drängten sich die Menschen auf den Gehsteigen im Stadtzentrum. Einige hatten Schirme aufgespannt, doch die meisten wurden einfach nass. Er checkte im Bourbon Orleans Hotel im Französischen Viertel ein.
Als er tropfend dastand, fragte die kokette blonde Rezeptionistin mit Blick auf seine Reservierung: »Sind Sie tatsächlich aus Wyoming?«
»Ja.«
»Ich glaube, ich hab wirklich noch nie jemanden von dort getroffen.«
»Jetzt schon«, erwiderte Joe.
Auf dem AB in seinem Zimmer war eine Nachricht von Portenson, der ihm mitteilte, er solle um neun Uhr früh zum FBI-Regionalbüro am Leon C. Simon Boulevard kommen.
»Wir informieren Sie darüber, was wir bisher haben, und dann gehen wir zu ihr rein«, sagte er. »Feiern Sie also heute Abend im French Quarter nicht zu wild.«
Joe gab Marybeth Bescheid, dass er sicher angekommen war, und versuchte zu schlafen. Es gelang ihm nicht. Dafür war einfach zu viel passiert.
Um zwei Uhr morgens setzte er seinen nassen Hut auf und ging hinaus in den Regen. Die Straßen waren weiterhin voller
Menschen. Er ging erst die Dauphine, dann die Bourbon Street hinunter; ein Betrunkener rief von einem Balkon »Tex« und warf ihm ein Halsband aus falschen Perlen zu.
Als er am Vormittag im FBI-Regionalbüro eintraf, regnete es noch immer. Der Sicherheitsbedienstete fand seinen Namen im Computer, gab ihm einen Besucherausweis und schickte ihn rein.
Portenson erwartete ihn schon. Neben ihm stand eine ausdrucksstarke Frau, die er Joe als Spezialagentin Nan Scoon vorstellte. Sie war Leiterin des Teams, das Marie Logue verhaftet hatte.
»Als wir sie abführten, hatte sie achttausend Doller dabei«, sagte Portenson. »Und Belege, denen zufolge sie die gesamte Versicherungssumme von 1,3 Millionen Dollar auf Konten auf den Cayman Inseln überwiesen hatte. Damit war sie nach ihrer Abreise aus Saddlestring beschäftigt.
Die Anrufe bei Ihrer Frau, die angeblich dem Wohlergehen ihrer Tochter galten, kamen von überall, aber nie aus Denver, wo ihre Eltern tatsächlich wohnen. Wir haben mit ihnen gesprochen: Sie ist nicht mal dort aufgetaucht.«
Joe pfiff durch die Zähne. »Gute Arbeit.«
»Ich weiß, ich bin ein Genie. Noch toller aber ist, dass wir, während wir darauf warteten, dass sie hier auftaucht, Beweismaterial gegen sie zusammengetragen und es gestern Abend wie eine Tonne Ziegeln auf sie haben niederrauschen lassen: Beihilfe zum Mord in drei Fällen, Kindsaussetzung, gemeinsame Planung von Verbrechen, organisierte Kriminalität und fünfzehn Anklagepunkte mehr. Erst stritt sie alles ab und bestand darauf, Barbara Grossman zu sein. Nachdem sie dann etwas geweint hatte, wurde sie weich. Anfangs hat sie uns nur
wenig erzählt und versucht, mit uns ins Geschäft zu kommen. Als sie merkte, dass daraus nichts wird, hat sie ausgepackt. Meine Mitarbeiter sagen, am Ende hat sie geradezu geprahlt und war begeistert von sich selbst.«
»Sie will also alles gestehen?«, fragte Joe.
»Deshalb haben wir Sie kommen lassen, Cowboy.«
Als sie den spartanischen Vernehmungsraum betraten, erkannte Joe sie erst gar nicht. Marie war inzwischen blond und trug eine modische Brille mit schwarzem Gestell. Über der Oberlippe hatte sie sich einen Schönheitsfleck geschminkt. Als sie Joe sah, bekam sie große Augen.
»Hallo Marie«, sagte er und nahm ihr gegenüber Platz. Portenson und Scoon ließen sich auf den beiden anderen Stühlen nieder.
Scoon gab das Zeichen, mit der Aufnahme zu beginnen, und belehrte Marie über ihre Rechte. Wie am Vortag verzichtete sie auf einen Anwalt.
»Bringen wir’s
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