Kalte Stille - Kalte Stille
gewesen sein. Doch das Alter konnte einem Leinwandgott nichts anhaben, selbst wenn er die Sechzig überschritten hatte - dafür war Robert De Niro ohne Zweifel der lebende Beweis.
»Sie sehen so verdammt gut aus«, wagte sie schließlich zu äußern, und De Niro schenkte ihr sein unvergleichliches Lächeln, das ein wenig nach Louis Cyphre aus Angel Heart und sehr nach Pater Bobby aus Sleepers aussah.
Wie sie dieses Muttermal auf seiner rechten Wange doch liebte. Allein um dieses Muttermal berühren oder
küssen zu dürfen, hätte sie ihre gesamten Ersparnisse für die Schauspielschule hergegeben.
Vergessen war die Müdigkeit von vorhin, als sie aus dem Love Palace gekommen war und nur noch nach Hause in ihre Badewanne gewollt hatte. Deswegen wäre sie auch fast nicht zu ihm in den Wagen gestiegen, hatte aber schließlich doch noch seinem Drängen nachgegeben, weil er sie neugierig gemacht hatte. Er hatte so gut gelaunt gewirkt, ihr Sekt - der jetzt Champagner war - angeboten und ihr versprochen, ihr etwas Großartiges zu zeigen. Und jetzt, nachdem sie begriffen hatte, wer er wirklich war … ja, jetzt war es wirklich großartig !
»Bin ich denn auch passend angezogen?«, fragte sie unsicher.
»Aber klar, Baby«, sagte De Niro und lächelte wieder sein göttliches Lächeln. »Sie dich doch nur mal an. Bei dir wird jedes Kleid zur geladenen Waffe, Darling.«
Sie sah an sich herab. Trug sie wirklich dieses weinrote Abendkleid mit dem tiefen Dekolleté? Sie konnte sich nicht erinnern, es angezogen zu haben. Das musste bestimmt am Champagner liegen. Herrje, sie musste achtgeben, dass sie keinen Schwips bekam. Das wäre an diesem außergewöhnlichsten aller Abende nicht nur peinlich, sondern fatal für ihre Karriere.
»Unsinn, Baby«, sagte De Niro und legte ihr eine Hand auf den Schenkel. »Trink noch einen Schluck. Mach dich locker für die Show. Das tun wir doch alle.«
O Gott, allein seine Hand zu spüren ließ sie feucht werden. Sie musste sich jetzt zusammennehmen, also trank sie ihr Glas hastig leer. Der Champagner kribbelte in ihrem Bauch, und sie musste ein leises Rülpsen unterdrücken.
Hoffentlich hat er es nicht mitbekommen. Ich benehme mich ja wie ein Bauerntrampel.
Doch De Niro lachte nur, und sie fiel in sein Lachen ein. Gleich darauf hielt er an.
»O Bob«, sagte sie. Er hatte sie gebeten, ihn Bob zu nennen - alle guten Freunde nannten ihn Bob -, und sie hoffte insgeheim, ihm in dieser Nacht noch oft »O Bob« ins Ohr hauchen zu dürfen. »Warum ist es hier so dunkel?«
»Wir sind hinter der Bühne, Baby«, sagte Bob und zwinkerte ihr zu. »Gleich wird der Vorhang aufgehen, und dann wird es verdammt hell, pass nur auf.«
Sie folgte ihm eine Treppe hinauf und betrat den blankgebohnerten Boden. Zwar konnte sie diese Bühne noch nicht sehen, dafür war es viel zu dunkel, doch Bob führte sie an der Hand und erklärte ihr, wo sie sich befanden. Bob kannte sich aus.
Ihre hohen Absätze klackten auf dem Boden, als sie ihm zur Mitte der Bühne folgte. Der Vorhang war geschlossen, aber sie glaubte, leises Raunen von der anderen Seite zu hören. Gespanntes Gemurmel, das nur ihr allein galt.
»Bist du bereit, Schätzchen?«
Sie brachte nur ein Nicken zustande. Am liebsten wäre sie jetzt davongelaufen. Nie hätte sie geglaubt, dass Lampenfieber so schlimm sein konnte.
Aber he, das ist dein großer Moment, also sei tapfer!
Sie wollte Bob fragen, ob ihr Make-up nicht verschmiert sei, ob ihm ihr Lippenstift nicht ein wenig zu dick aufgetragen erschien und ob der Ausschnitt ihres Kleides nicht vielleicht doch ein wenig zu tief war. Himmel, man sah ja fast das Piercing in ihrem Bauchnabel.
Zukünftige Filmstars waren doch nicht gepierct, wie hatte sie das nur vergessen können?
»Pssst«, machte Bob und streichelte ihre nackte Schulter. Wieder konnte sie spüren, wie sie ein wohliger Schauer durchlief.
»Ganz cool bleiben, Süße. So geht es uns allen am Anfang. Du darfst es sie nur nicht merken lassen.« Er zwinkerte, und das Muttermal auf seiner Wange machte einen kleinen Satz. »Das macht den Profi aus. Also, können wir?«
Dunja atmete tief durch, nickte und brachte ein festes und selbstsicheres »Ja« zustande.
Gut so, dachte sie. Du bist jetzt ein Profi .
Robert De Niro - Bob - lächelte zufrieden und verschwand auf der anderen Seite des Vorhangs. Applaus brauste auf, und dann hörte sie ihn rufen.
»Danke, Ladies and Gentlemen, vielen Dank! Doch nicht mir gilt der heutige Applaus. Heißen
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