Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kalte Stille - Kalte Stille

Titel: Kalte Stille - Kalte Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
Vom Netzwerk:
Rauh gesprochen. Keine Angst, er hat nicht aus dem Nähkästchen geplaudert, ich wollte nur ganz allgemein wissen, wie sich Ihre Therapie anlässt.«

    Jan stellte ebenfalls seine Tasse ab. Er spürte, wie seine Handflächen feucht wurden. »Wie war seine Meinung?«
    »Er hat gesagt, Sie seien schon ein gutes Stück vorangekommen, aber er denkt, dass Sie sich noch immer versperren.«
    »Rauh hat mich erst zweimal gesehen. Wie kann er sich da schon ein Urteil bilden?«
    Fleischer schlug die Beine übereinander und formte mit seinen Fingern ein Dreieck vor der Brust. »Diese Klinik hat viele Augen und Ohren, Jan. Ich höre, Sie stellen Nachforschungen an. Sie beschäftigen sich mit alten Fällen. Es heißt, Sie waren mehrere Male bei Liebwerk im Archiv. Stimmt das?«
    Jan zuckte mit den Schultern. »Ja, das stimmt.«
    »Freut mich, dass wir offen miteinander reden.« Fleischer nickte zufrieden. »Nichts anderes habe ich von Ihnen erwartet, Jan.«
    »Ich habe niemandem mit meinen Fragen geschadet«, verteidigte sich Jan.
    »Sie schaden sich selbst damit«, sagte Fleischer ruhig. »Ich gebe Ihnen hier eine zweite Chance, weil ich Ihnen helfen will, endlich mit Ihrer Vergangenheit abzuschließen. Aber das geht nur, wenn Sie den Blick nach vorn richten. Ich weiß, das fällt Ihnen nicht leicht. Dies ist immerhin der Ort, an dem alles begonnen hat. Aber Sie sollten sich immer vor Augen halten, dass dies Ihre einzige Möglichkeit ist, beruflich wieder Fuß zu fassen. Erst recht nach dem Tod von Laszinski.«
    Jan setzte sich kerzengerade auf. »Laszinski ist tot?«
    »Ja, er wurde von zwei Mitgefangenen vergewaltigt und erschlagen.«
    Jan sackte in sich zusammen. »Wenn das bekannt
wird, werden auch die ganzen alten Geschichten wieder hochkommen.«
    »Das steht zu befürchten«, sagte Fleischer. »Noch ist die Nachricht inoffiziell, und solange die Ermittlungen laufen, wird man sich bedeckt halten. Aber wenn die Presse erst einmal Wind davon bekommt, wird viel Staub aufgewirbelt werden.«
    Jan sah die Schlagzeilen wieder vor sich: PSYCHOPATHEN IM WEISSEN KITTEL und WENN TÄTER ZU OPFERN WERDEN waren noch die harmloseren gewesen.
    Zwar war der Vorfall mit Laszinski nur für wenige Tage durch die Medien gegeistert, aber wenn der Mann jetzt in der Haft umgebracht worden war, bot dies eine willkommene Gelegenheit für neue Spekulationen über die Wertigkeit dieser Tätergruppe im Maßregelvollzug. Der Fall des Dr. Jan Forstner, der seinen Patienten krankenhausreif geprügelt hatte, während sich die Aufseher mit ihrem Einschreiten Zeit gelassen hatten, würde nun noch mehr Gewicht bekommen.
    »Deshalb«, fuhr Fleischer fort, »ist es wichtig, dass Sie mein Angebot hier nutzen. Wie gesagt, Ihrem unbefristeten Vertrag steht so gut wie nichts mehr im Weg. Jetzt ist es an Ihnen, denen da draußen zu zeigen, was für ein großartiger Arzt Sie sind.«
    Geistesabwesend sah Jan aus dem großen Doppelfenster. Die Bäume des Parks waren im schwachen Licht der Wegbeleuchtung nur zu erahnen.
    Ein goldener Käfig, dachte Jan. Fleischer bietet mir Schutz in einem goldenen Kä fig. Aber ein Gefangener bin ich trotzdem.
    »Wollen Sie die Chance noch nutzen?«, fragte Fleischer.

    »Ja. Ja, ich denke, das werde ich.«
    »Gut so«, bestätigte ihn der Professor. »Und da ist noch etwas, das Sie wissen sollten. Sie hatten Norbert nach Alexandra Marenburg gefragt.«
    »Ja, das habe ich.« Jan machte eine entschuldigende Geste. »Ich weiß, die alten Geschichten sollte man endlich ruhen lassen, aber …«
    »Hören Sie, Jan«, unterbrach ihn Fleischer. »Die junge Frau litt unter einer schizophreniformen Störung. Sie war nicht nur depressiv, wie Herr Marenburg das gerne betont. Sie hatte Wahnvorstellungen. Wenn sie die bekam, wurde sie unberechenbar. Jan, Ihr Vater hatte sich sehr um sie bemüht, aber ihre Medikamente wirkten nur bedingt zuverlässig. Deshalb die häufigen Klinikaufenthalte. Es ging nicht anders.« Er machte eine kurze Pause, ehe er weitersprach. »In der Nacht ihres Suizids ging es ihr wieder schlecht. Wir hatten einen personellen Engpass. Ein einzelner Pfleger musste sich um beide Stationen kümmern. Als er auf seinem Rundgang war, passierte es. Die junge Frau lief schreiend auf den Gang. Dann …«, er seufzte, »dann stürzte sie durch eines der Fenster ins Freie und lief davon. Der Pfleger alarmierte sofort die Polizei. Den Rest der Geschichte kennen Sie ja.«
    »O ja«, sagte Jan und dachte an das Diktiergerät in seiner

Weitere Kostenlose Bücher