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Kalte Stille - Kalte Stille

Titel: Kalte Stille - Kalte Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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Jackentasche. Auf einmal erschien ihm seine jugendliche Dummheit, die Stimme eines Geistes darauf bannen zu wollen, derart befremdlich, dass er am liebsten laut darüber gelacht hätte.
    »Ich will mich nicht in Ihre Privatangelegenheiten mischen«, sagte Fleischer und beugte sich zu Jan vor, »aber ich möchten Ihnen einen Rat geben: Nehmen Sie sich vor Rudolf Marenburg in Acht. Er ist von dem Gedanken
besessen, dass wir seine Tochter auf dem Gewissen haben. Es ist eine schon fast krankhafte Obsession. Wenn Sie wüssten, wie oft er bei mir oder bei Norbert Rauh angerufen hat. Mitten in der Nacht und sturzbetrunken. Er gibt uns die Schuld. Dabei war Norbert nicht einmal ihr behandelnder Arzt. Hypnose kommt bei schizophren Erkrankten ohnehin nicht infrage.«
    Es ärgerte Jan, dass Fleischer schlecht über seinen Freund sprach, aber Jan wusste doch, dass der Professor Recht hatte: Rudi war ein schlechter Ratgeber in dieser Angelegenheit. Das hatte Jan ja auch Carla begreiflich zu machen versucht.
    Eine andere Sache brannte ihm auf den Nägeln, und er beschloss, Fleischer danach zu fragen. »Als Herr Liebwerk vor einigen Tagen das Archiv nach Alexandra Marenburgs Akte durchsuchte, konnte er sie nicht finden. Wie erklären Sie sich das? Ein Zufall?«
    Fleischer griff nach seinem Kaffee, trank einen Schluck und sah Jan über den Tassenrand hinweg an. »Nun, das ist wohl kein Zufall, Jan. Und wenn Sie etwas nachdenken, werden Sie selbst darauf kommen, was mit der Akte geschehen ist.«
    Jan sah den Klinikleiter konsterniert an. »Ich? Wie das?«
    »Ihr Vater hatte die Akte«, sagte Fleischer. »Alexandra war seine Patientin, und Bernhard nahm regelmäßig Akten mit nach Hause, um dort seine Berichte zu schreiben. Wenn die Akte nicht im Archiv war, wie Sie sagen, dann vermute ich, dass sie Ihr Vater hatte. Wäre durchaus denkbar, dass sie im Zuge der tragischen Ereignisse verlorengegangen ist. Wie Sie sich vorstellen können, ging es hier nach den beiden Unglücksfällen drunter und drüber.«

    Jan umklammerte die Lehnen seines Sessels. Fleischer hatte Recht. Jan hätte es wissen müssen. Vielleicht hatte er es insgeheim auch gewusst und nur verdrängt.
    Habe ich die ganze Zeit an der falschen Stelle nach Antworten gesucht?
    »Noch Kaffee?«, fragte Fleischer und deutete auf die beiden leeren Tassen.
    »Nein danke«, murmelte Jan.
    Für heute hatte er genug.

46
    Noch vor einer halben Stunde hätte Dunja nicht im Traum daran gedacht, dass dies der glücklichste Tag ihres Lebens werden sollte. Aber nun saß sie neben ihm auf dem Beifahrersitz einer Luxuslimousine, trank Champagner und konnte ihr Glück noch gar nicht fassen.
    Zunächst hatte sie gedacht, sie sei in einen ganz normalen Mittelklassewagen eingestiegen und in dem Glas in ihrer Hand befinde sich gewöhnlicher Prosecco aus dem Kühlregal irgendeiner Tankstelle. Doch nun war ihr klar, dass sie sich gewaltig geirrt hatte.
    »So kann man sich täuschen«, hatte er gesagt, als sie ihrer Verwunderung Ausdruck gegeben hatte.
    Und damit lag er vollkommen richtig. Schließlich hatte sie sich ja auch in ihm getäuscht. Wie oft hatte er schon von ihr verlangt, sich eine Pappmaske vors Gesicht zu halten und vorgegebene Texte aufzusagen, während er sie vögelte, doch nie war ihr aufgegangen, dass dies alles nur ein Test ihres schauspielerischen Talents
sein könnte. Sie hatte ja nicht einmal durchschaut, wer der große Unbekannte in Wirklichkeit war.
    Doch nun hatte er sich ihr zu erkennen gegeben, und es war unfassbar. Ihr größter Traum war Wirklichkeit geworden. Sie saß neben Robert De Niro.
    Sie hatte es schon immer gewusst, auch wenn sie manchmal befürchtet hatte, es wäre nicht mehr als nur ein Traum: Eines Tages würde er kommen und sie aus dem Sumpf, in dem sie steckte, herausholen. Weg von den dunklen Gestalten, weg von all den verschrobenen, manchmal hässlichen und ziemlich häufig fetten Typen, die nur auf einen schnellen Fick aus waren. Weg von all diesen menschlichen Abgründen.
    Jetzt endlich war das alles vorbei. Jetzt saß sie neben ihm und fuhr durch die Nacht, und jedes Mal, wenn sie zu ihm hinübersah, machte ihr Herz einen Sprung vor Freude und Glückseligkeit.
    Er sah genauso aus, wie sie ihn von der Leinwand kannte. Bei diesem Prachtstück von einem Mann war jeder Visagist oder Make-up-Experte überflüssig. In seinem Smoking sah De Niro aus wie seinerzeit als Don Vito Corleone, dabei dürfte er während der Aufnahmen nicht viel älter als dreißig

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