Kalte Stille - Kalte Stille
… will nicht«, brachte Carla hervor.
Irgendetwas stimmte nicht, das spürte sie. Die Gefühle, die sie empfand, schienen nicht ihre eigenen zu sein. Etwas in ihr sagte, dass das, was sie tat, nicht richtig war, aber sie verstand nicht, was die Stimme in ihr damit
meinte. Es war so unsagbar schwer, darüber nachzudenken. Jeder einzelne Gedanke kam so zäh hervor, als ob er versuchte, sich durch Gelatine zu zwängen.
»Keine von euch war je wie Carmen«, sagte Nathalie, dann packte sie Carlas Kopf und riss ihr die Perücke herunter.
»Lass … mich.« Die beiden Worte kamen ihr mühsam über die Lippen. Dennoch hörten sie sich klarer an als alles, was Carla zuvor in diesem Traum gesagt hatte. Es war, als hätte sie zuvor überhaupt nicht gesprochen.
Das ist kein Traum, schrie ihr die innere Stimme zu. Das ist auch nicht Nathalie!
»Ja, so ist es gut«, flüsterte ihr die tiefe Stimme zu, und als sie sich nach ihr umsah, blickte sie wieder in das Lächeln der Nathalie, die nicht Nathalie war.
Wehr dich! O mein Gott, wehr dich!
Verzweifelt wandte sich Carla der Tür zu, streckte ihre blutigen Arme danach aus, doch Nathalie hielt sie zurück.
Alles um sie herum verschwamm, der Raum begann sich zu drehen. Carla taumelte, versuchte sich irgendwo festzuhalten, fand keinen Halt und fiel.
Dann verlor sie das Bewusstsein.
56
Jan hatte kaum geschlafen. Da Marenburgs Haus als Tatort galt und von der Polizei versiegelt worden war, hatte er sich ein Zimmer im Hotelgasthof Jordan genommen. In diesem Zimmer war er stundenlang auf und ab
getigert - vier Schritte bis zur Tür, von dort sechs Schritte bis zum kleinen Badezimmer, und dann wieder fünf Schritte bis zum Bett -, während das Radio gelaufen war, um die unerträgliche Stille zu übertönen.
Am nächsten Morgen hatte er sofort im Stadtklinikum angerufen. Rudi lebte noch, aber die diensthabende Schwester konnte oder wollte ihm keine weitere Auskunft geben. Jan sagte, dass er später noch einmal anrufen würde.
Als er wenig später in der Waldklinik eintraf, herrschte im Stationszimmer betretenes Schweigen. Jan schwante nichts Gutes.
»Ist etwas passiert?«, fragte er in die Runde.
»Die Patientin, die Sie auf Station 12 verlegt haben.« Lutz Bissinger machte eine traurige Geste.
Erschrocken sah Jan ihn an. »Frau Weller? Was ist mit ihr?«
»Sie hat wieder versucht, sich die Pulsadern aufzuschneiden, und …«
»Ist sie tot?«, fiel Jan ihm ins Wort.
»Nein. Wie ich gehört habe, hat sie die Nachtschwester im letzten Moment gefunden. Frau Weller liegt jetzt in der Stadtklinik. Ein Dr. Mehra ist der zuständige …«
Jan wartete nicht ab, bis der Pfleger seine Ausführungen beendet hatte. Er lief in sein Büro, griff zum Telefon und wählte die Nummer, die er heute schon einmal gewählt hatte.
»Geben Sie mir Dr. Mehra!«, wies er die Schwester am anderen Ende der Leitung an.
Nach einer Weile meldete sich die vertraute Stimme. »Dr. Forstner, ich grüße Sie. Sie rufen an wegen Herrn Marenburg?«
»Nun, ja und nein.«
»Ich verstehe nicht.«
»Natürlich, ja. Wie geht es ihm? Ich höre, er hat die Nacht gut überstanden?«
»In der Tat«, sagte Mehra, »und sein Zustand ist nach wie vor stabil.«
Jan schloss die Augen und schluckte. Er war nie besonders religiös gewesen, aber falls es doch so etwas wie ein höheres Wesen gab, dankte er ihm im Geiste von ganzem Herzen. »Ist er schon wieder bei Bewusstsein?«
»Nein. Wir werden ihn noch für eine Weile im künstlichen Koma halten. Die Schmerzen wären sonst zu stark. Deshalb kann ich auch noch nicht sagen, inwieweit Herrn Marenburgs Gehirn durch den Schlag geschädigt wurde.«
»Ich verstehe«, sagte Jan und musste abermals schlucken. »Ich rufe aber noch aus einem anderen Grund an - wie geht es Carla … ich meine Frau Weller?«
Der Arzt zögerte. Dann fragte er: »Kennen Sie sich?«
»Wir … wir kennen uns aus der Kindheit«, sagte Jan etwas unsicher.
»Ah ja.« Mehra zögerte wieder. »Frau Weller geht es den Umständen entsprechend gut.«
»Was ist denn genau geschehen?«
»Nun«, seufzte Mehra, »ich bedauere sehr, Ihnen das sagen zu müssen, aber Ihre Bekannte hat heute Nacht versucht, sich mit den Scherben eines Trinkglases die Pulsadern aufzuschneiden. Sie wurde rechtzeitig gefunden, hat aber sehr viel Blut verloren, und beim Sturz auf die Fliesen im Bad hat sie sich eine Gehirnerschütterung zugezogen.«
»Hat sie gesagt, warum sie es getan hat?«
»Tja«, abermals seufzte Mehra
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