Kalte Stille - Kalte Stille
in den Hörer, »ich weiß zwar, dass Frau Weller wegen Depressionen in Ihrer
Klinik behandelt wird, aber wie mir scheint, ist auch ihr Verhältnis zur Realität etwas getrübt.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie streitet ab, es getan zu haben. Als ich vorhin mit ihr sprach, behauptete sie, es sei eine gewisse Nathalie gewesen, die versucht habe, sie umzubringen.«
»Nathalie?« Jan glaubte sich verhört zu haben.
»Kennen Sie sie?«
»Die Frau, von der sie spricht, ist tot.«
»Sehen Sie«, sagte Mehra. »Und da ist noch etwas. Etwas, das ich mir nicht erklären kann.«
»Und das wäre?«
»Den Unterlagen Ihrer Klinik nach wurde Frau Weller nicht medikamentös therapiert, ist das korrekt?«
»Ja, das stimmt. Warum fragen Sie?«
»Weil wir in ihrem Blut Spuren eines starken Narkotikums gefunden haben«, sagte Mehra. »Und ich will doch hoffen, dass Ihre Patienten keinen Zugang zu solchen Medikamenten haben.«
57
Carla lag in einem fensterlosen Einzelzimmer. Neben ihrem Bett, das von einem Metallrahmen umgeben war, piepten Kontrollgeräte. Hinter dem Infusionsständer hing ein gerahmtes Poster an der Wand, auf dem ein Frühlingsmorgen im Wald zu sehen war. In der nüchternen Klinikatmosphäre und dem allgegenwärtigen Geruch nach Desinfektionsmittel konnte es seine beruhigende Wirkung aber nicht recht entfalten.
Jan trat zu ihr ans Bett. Die junge Frau lag da wie tot. Ihr kahlrasierter Kopf war an einigen Stellen mit Pflastern versehen. Ihre Arme waren von den Handgelenken bis zu den Ellenbogen bandagiert. Sie schien zu schlafen.
Jan fuhr ihr sanft mit dem Handrücken über die Wange. Im selben Moment riss Carla die Augen auf, als sei sie aus einem Alptraum erwacht. Für einen Augenblick schien sie nicht zu wissen, wo sie sich befand, und sah sich panisch um. Dann erkannte sie Jan, und ihr Blick entspannte sich.
»Jan«, murmelte sie.
»Schon gut«, flüsterte Jan und sah sie sorgenvoll an. »Ich bin ja da.«
»Ich …« Sie schluckte und verzog vor Schmerz das Gesicht.
»Du sollst jetzt nicht reden«, sagte Jan, doch Carla setzte bereits zu einem zweiten Versuch an.
»Ich hab das … nicht getan. Es … war … der Dämon.« Tränen rannen ihr übers Gesicht.
Jan fröstelte. Der Dämon.
Gäoh!
Carla hustete und biss sich vor Schmerz auf die Unterlippe. Dann flüsterte sie ein weiteres Wort. Jan musste näher zu ihr heran, um es verstehen zu können.
»Rauh.«
Er hob die Brauen. »Rauh? Ist er der Dämon?«
»Sein Terminplaner«, flüsterte sie. »Nathalies Termine. Hinter manchen steht ein R.«
»Ein R«, wiederholte Jan. »Weißt du, wofür es steht?«
Wie in Zeitlupe bewegte sie den Kopf hin und her. »Er war ganz außer sich … als ich ihn darauf angesprochen habe.«
»Du meinst, Rauh hat dich dazu gebracht, dir die Pulsadern aufzuschneiden?«
Ein schwaches Nicken.
»Gefahr«, hauchte sie.
Der Monitor zeigte an, dass ihre Pulsfrequenz gestiegen war. In Carlas Augen stand die blanke Angst.
58
Als Jan wieder in der Waldklinik eintraf, hörte er jemand in der Eingangshalle seinen Namen rufen. Es war Norbert Rauh, der eilig auf ihn zukam. »Jan! Da sind Sie ja. Ich muss mit Ihnen sprechen.«
»Ach ja? Das trifft sich gut.«
»Ich habe vom Suizidversuch Ihrer Bekannten gehört«, fuhr Rauh mit gesenkter Stimme fort. »Wie geht es ihr jetzt?«
Jan ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. »Wenn Sie glauben, dass Sie damit durchkommen, Rauh, dann täuschen Sie sich.« Er packte den Arzt mit eisernem Griff am Arm.
»He, was soll das?«
»Was das soll?«, fuhr Jan ihn an. »Sie fragen mich, was das soll?«
Eine Schwester ging an ihnen vorbei und bedachte Jan mit einem anklagenden Blick. Jan nickte ihr zu und senkte die Stimme, als er weitersprach. »Ich weiß nicht, wie Sie Carla dazu gebracht haben, sich so etwas anzutun, aber sie hat Sie wiedererkannt.«
»Was?« Rauh sah ihn erstaunt an und befreite sich
aus Jans Griff. »Wovon, zum Teufel, reden Sie? Sie glauben doch nicht etwa, dass ich …«
»O doch, das glaube ich! Nathalie Köppler war Ihre Patientin, und nach dem, was letzte Nacht mit Carla geschehen ist, wirft das ein völlig neues Licht auf ihren mysteriösen Selbstmord. Was machen Sie mit Ihren Opfern, hm? Hypnose?«
Ein spöttisches Lächeln huschte über Rauhs Gesicht. »Ihre Fantasie geht mit Ihnen durch, Jan. Glauben Sie allen Ernstes, dass man jemanden durch Hypnose zum Selbstmord zwingen kann? Mit Verlaub, das ist ausgemachter Blödsinn.«
»Ich weiß
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