Kalter Schmerz
von Schweiß und Parfüm.
Edie Franco führte einen von Marks bevorzugten Nachtclubs: das Underground. Sie war unnatürlich blond und hatte den Körperbau einer Walküre – die Sorte Frau, bei der man von Glück sagen konnte, wenn man eine sexuelle Begegnung mit ihr überlebte. Edie war um die vierzig, genauer konnte man es nicht schätzen.
Ich kam eine halbe Stunde zu spät, aber wie zu erwarten gewesen war, tauchte sie noch später auf. Bevor sie mit einer Böe Graupel und eiskaltem Wind hereinstürmte, konnte ich noch zwei Tassen Kaffee an der Bar trinken. Edie trug einen roten Mantel, der ihr bis zu den Knien reichte, und ihr Handschlag war eher ein fester Hieb.
»Diese swimmingpoolblauen Augen habe ich vermisst!«
»Edie.« Nachdem sie mich auf die Wange geküsst hatte, machte ich schnell einen Schritt nach hinten. »Möchtest du was trinken?«
Keine Entschuldigung für die Verspätung. »Kaffee, schwarz.«
Ich nickte dem Barkeeper zu. »Ich auch.«
»Wollen wir uns auf die Sofas setzen?« Sie wies mit dem Kopf in die Richtung und ging hinüber.
Ich folgte ihr, fort von der Tür, und setzte mich ihr gegenüber. Es fühlte sich deutlich besser an, wenn ein Tisch zwischen uns stand.
»Hab länger nichts von dir gehört«, sagte ich.
»Was soll ich sagen? Das Leben ist ein Traum. Man heiratet, bekommt ein Kind, eröffnet einen Club, denkt an ein zweites Kind …« Sie schlug die Beine übereinander, schlüpfte aus ihrem Mantel. »Lässt sich scheiden, ruft einen gut aussehenden Mann an … keine Sorge, ich meine nicht dich …«
Der Barkeeper kam an den Tisch und stellte die beiden Kaffee ab.
Ich schaute auf meinen und lächelte, rührte ihn aber nicht an. »Ich … äh … das tut mir leid.«
»Was? Das mit der Scheidung oder das mit dem schönen Mann?« Sie hob die Augenbrauen, wodurch ihr Gesichtsausdruck etwas Neckisches bekam, die großen Augen waren dramatisch schwarz geschminkt. »Tja, manchmal lebt man sich halt auseinander, oder man kommt jemand anderem zu nahe, vielleicht auch mehreren, egal.«
Ich lächelte.
»Wolltest du nie Kinder haben, Dominic? Dein ausdruckstarkes Profil vererben?« Sie wandte den Kopf zur Seite, damit ich ihres bewundern konnte, die gleiche Nase und die vollen Lippen.
»Sieht bei dir besser aus«, sagte ich und griff nach meinem Kaffee.
Im Hintergrund lief ein getragenes Lied. Ich schaute hinüber zum Plastik-Ilex am Spirituosenregal. Es war noch ein Monat Zeit, aber Weihnachten war schon allgegenwärtig.
»Traurig, nicht? Arbeiten über Weihnachten.« Sie hielt inne und folgte meinem Blick hoch zu den Lichtern. »Manchmal sieht es abends von meinem Büro aus so wunderschön aus, dass ich den Gedanken, allein nach Hause zu gehen, kaum ertragen kann … Ich mach’s dann auch selten, deshalb sitzen wir wahrscheinlich hier, was?«
»Sidney.« Langsam dämmerte mir, was das für ein Job war, den sie für mich hatte. Um wen es ging. »Es geht um Sidney, nicht? Irgendwas wegen der Scheidung?«
Schweigen.
Ich schüttelte den Kopf. »Mensch, Edie, du weißt doch, dass ich nicht gerne …«
»Du weißt nicht gerne den Grund. So arbeitest du doch, oder?«
Ich stellte den Kaffee ab, hatte jetzt schon zu viel Koffein im Blut und konnte ihr nicht in die Augen sehen. »Familienstreitigkeiten, also echt. Ich dachte, so was wäre unter deiner Würde …«
»Er will meinen Sohn. Was ist unter meiner Würde? Liebe?«
Ich zeigte mit dem Finger auf sie. » Das ist es, womit ich nicht gerne arbeite!«
»Ich kann nicht vor Gericht gehen.«
»Du meinst, du w…«
»Ich kann nicht vor Gericht!«
»Du …«
»Ich kann nicht gewinnen !« Sie schlug mit der Faust auf den Tisch, und der Kaffee spritzte auf die glänzende Oberfläche. »Ich … ich kann nicht gewinnen.«
Die Gespräche im Hintergrund flauten kurz ab, und ich sah mich über die Schulter um, besorgt, dass wir zu viel Aufmerksamkeit erregt hatten.
Edie lehnte sich zurück, betastete ihr Haar und schaute auf den verspritzten Kaffee. Als sie weitersprach, hatte sie sich wieder vollständig unter Kontrolle.
»Ich kann vor Gericht nicht gewinnen.«
»Du bist die Mutter, die gewinnt immer.«
»Ich nicht.«
Ihre Miene war von einer Eindringlichkeit, der ich nichtsentgegenzusetzen hatte. Deshalb war sie so eine gute Geschäftsfrau; jeder Gesichtsausdruck von ihr war eine unterschwellige Drohung.
»Warum?«, fragte ich, obwohl ich es gar nicht wissen wollte, obwohl ich es auch erledigen konnte, ohne den Grund zu
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