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Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Jameson
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holen?«
    Auf dem Apparat war Blut, als ich versuchte, den Notruf zu wählen.
    »Bitte …!«
    »Warte! Warte kurz, ja?«
    Es klingelte und klingelte, und der Asphalt, auf dem ich kniete, war glitschig vor Blut und Regen.
    »Notrufzentrale …«
    » Hallo? Hallo! Ich brauche … ich brauche einen …«
    Der Junge war verstummt.
    »Ja, bitte? Bitte, Sir?«
    Ich dachte, ich würde ihn schlagen.
    »O Gott …« Meine Hand fuhr zum Mund, um die Galle zurückzuhalten, stattdessen kamen Tränen. »Scheiße.«
    »Hallo? Können Sie mich hören?«
    Ich unterbrach die Verbindung und richtete mich mühsam auf. Die Straße war leer, aber das war nicht anders zu erwarten. Die Leute wandten sich ab oder verschwanden in ihren Häusern. Niemand wollte vor Gericht aussagen. Das war ihnen keiner wert.
    Ich wischte meine blutigen Hände am Shirt ab und zog den Reißverschluss der Jacke zu, damit man die Flecken nicht sah.
    Ich dachte, ich würde ihn schlagen.
    Ich packte den Jungen an den Schultern, um ihn von der Straße zu ziehen, aber er war zu schwer. Ich schaffte nur wenige Schritte, dann musste ich ihn fallen lassen. Jetzt konnte man sein wahres Alter erkennen, sein Gesicht war das eines Kindes.
    Ein paar Augenblicke lang war ich hin und her gerissen zwischen dem Versuch, ihn weiterzuzerren, und dem Wunsch, zum Messer zu laufen.
    Ich lief.
    Die Klinge war rot bis hoch zum Griff.
    Ich nahm es in die Hand, es war überraschend leicht. Es war so mühelos in ihn eingedrungen, dass ich es nicht mal gemerkt hatte, so als schneide man Butter. Ich würgte, schleuderte dasMesser fort und hörte, wie es gegen einen Gullydeckel schepperte.
    Ich ging los, immer schneller in Richtung unseres Hauses. Die Schließe meiner Uhr war geöffnet, ich machte sie wieder zu. Unfassbar, wie nah ich an meinem Zuhause gewesen war; fünf Minuten später, und es wäre nichts passiert.
    Ich gelangte bis zur Tür, ohne jemanden zu sehen, und fragte mich, wie lange es dauerte, bis einer der Nachbarn die Polizei oder den Rettungswagen rief. Ich konnte die Hände nicht still genug halten, um den Schlüssel in die Tür zu schieben, also klopfte ich. Kurz hatte ich Angst, was Mum sagen würde, wenn Blut auf den Teppich kam.
    Ich war erst siebzehn. Der Typ war noch jünger gewesen.
    Als mein Bruder endlich die Tür öffnete, bekam ich kaum noch ein Wort heraus.
    »Tony …«, stammelte ich.
    »Nic, Scheiße, verdammt!« Er packte mich, suchte nach der Wunde, um die Blutung zu stillen, und wurde blass, als er merkte, dass es nicht mein Blut war.
    »Tony, wir brauchen …«
    »Ach, du heilige Scheiße …« Er beugte sich vor und sah die Straße rauf und runter.
    »… seine Mutter!« Das war alles, was ich durch die Tränen hervorbrachte, als Tony mich an der Jacke ins Haus zerrte. »Bitte, wir müssen seine Mutter holen!«

2
2010
    Als ich das erste Mal jemanden umbrachte, wurde ich nicht dafür bezahlt. Ein Job wurde es, wie bei vielen anderen Jugendlichen, eher zufällig, denn es war die erste Branche, die mir Geld bot. Mir mit meinen Vorstrafen hätte sonst niemand was gegeben.
    Ich bog von der Marylebone High Street rechts ab in eine Straße mit freistehenden Häusern. Wie die Börsenmakler und Steuerberater, die längst nach Hause hätten gehen können, aber noch freiwillig in ihren Büros saßen, genoss ich nicht meine Freizeit, sondern hatte mein Nickerchen auf der Couch beendet und mich zum Auto geschleppt, nachdem Pat Dyer angerufen und mir einen Auftrag angeboten hatte.
    Ich fuhr in eine Parkbucht, stieg aus in die entsetzliche Kälte und musterte mit angestrengtem Blick jede Haustür. Angeblich war seine Tochter verschwunden. Ich wusste nicht viel über Pat, hatte ihn nur mal flüchtig kennengelernt. Ich kannte ihn vor allem seinem Ruf nach, aber sie waren eh alle gleich, diese Typen: verschlagen, aufgeblasen, absehbar irre.
    Eine Windböe fuhr durch meinen Mantel, mit zusammengebissenen Zähnen ging ich zu Pats Haustür. Als ich klopfte, fiel mir auf, dass jeder Fleck Erde, auf dem Gras oder Blumen hätten wachsen können, zubetoniert war.
    Eine blonde Frau öffnete die Tür, ich zögerte.
    »Ich bin … Hallo, ich bin Nic, Nic Caruana.«
    Mit verschränkten Armen blickte sie auf meine Hand, bevor sie sie ergriff. An ihren Handgelenken erkannte ich blasse weiße Narben, und sie hatte die hoffnungslosesten Augen, die ich jegesehen hatte. Pat schien der Typ Mann zu sein, der sich eine Trophäenfrau hielt, sie war mindestens fünf Zentimeter größer als

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