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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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worden. Wenigstens nicht gestern und auch nicht in letzter Zeit. Hoffentlich. Sie ist überhaupt keine richtige … Diese Agota war ein Hermaphrodit. Ein Zwitter. Brüste und ein Penis.«
    Er hatte sich wieder aufgerichtet, jetzt saß er da, die Unterarme auf den Oberschenkeln abgewinkelt. Leo starrte auf den Chef. In diesem Seminar für Kommunikationsmanagement oder so ähnlich im vergangenen Frühjahr hatte der geschniegelte Vortragende Floskeln für jede Gelegenheit gewusst, ganz besonders für den Umgang mit Presseleuten. »Unter Berücksichtigung aller Tatsachen kann man davon ausgehen …«, »In Anbetracht der Lage ist nicht auszuschließen …«. Ha, den hätte er jetzt gern gesehen, diesen Schnösel mit der Gelfrisur, was dem jetzt wohl für ein Kommentar eingefallen wäre. Brüste und ein Penis! Leo versuchte einen Moment lang, sich dieses Bild ganz konkret vorzustellen. Aber er spürte nur, wie der heiße Schokodrink in seinem Magen …
    »Leg mir alle Unterlagen über dieses Kloster auf den Schreibtisch«, sagte der Chef. »Ich gehe jetzt rüber zum Grabner. Und Leo, kein Wort zu niemandem. Auch nicht zum Krinzinger, falls der anrufen sollte, verstanden?«
    Leo nickte heftig, aber Pestallozzi war schon aufgestanden und zur Tür hinaus.

    *

    Sie saßen sich gegenüber, Pestallozzi hatte Bericht erstattet. Der Präsident sah ehrlich betroffen drein.
    »Na gute Nacht«, sagte Grabner endlich. »Das wird dem Herrn Kardinal nicht schmecken.«
    Es klopfte, dann wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet. »Nicht jetzt«, dröhnte Grabner, die Tür wurde eilends wieder geschlossen. Der Präsident schob einen Stapel Papiere von links nach rechts, dann fegte er ein unsichtbares Staubkorn von der blankpolierten Schreibtischplatte. Alt ist er geworden, dachte Pestallozzi. Eigentlich hätte Grabner in diesem Jahr in die wohlverdiente Pension gehen sollen, seine Gattin hatte sogar schon eine Kreuzfahrt in die Karibik gebucht gehabt. Aber dann hatte es wieder einmal einen Korruptionsskandal in Wien gegeben, der das feine Geflecht aus Postenschacher und Parteibuchwirtschaft an empfindlicher Stelle durchlöchert hatte. Der präsumtive Nachfolger Grabners war still und leise in der Privatwirtschaft verschwunden, zu einem Security-Unternehmen, und die Frau Minister hatte höchstpersönlich angerufen und den Herrn Polizeipräsidenten gebeten, doch noch ein Jahr länger im Amt zu bleiben. Ein Ersuchen, dem Grabner seufzend nachgekommen war, aber alle im Haus wussten, dass er insgeheim unendlich froh war, noch nicht als Nobelrentner über die Weltmeere schippern zu müssen. Und doch, die Müdigkeit war seinem gebeugten Rücken anzusehen. Gleich nach diesem Gespräch würde er im Büro des Kardinals anrufen müssen, kein angenehmer Job. Pestallozzi räusperte sich.
    »Jaja, schon gut«, sagte Grabner. »Also, wenn ich das recht verstehe, dann ist da eigentlich ein Mann in diesem Frauenkloster gewesen. Als angehende Nonne getarnt, oder etwa nicht?«
    »So kann man das nicht ausdrücken«, sagte Pestallozzi heftig.
    »Und wie soll man es denn sonst ausdrücken? Können Sie sich vorstellen, was das für Schlagzeilen geben wird?«
    Sie funkelten sich einen Moment lang an, dann starrten sie beide zum Fenster hinaus in das Schneegraupeln, das wieder eingesetzt hatte und die Umgebung – die Autos, die Passanten, die Ketten der Weihnachtsbeleuchtung – in einem schmutzigen Grau erstickte. Wenn wenigstens Frühling wäre, dachte Pestallozzi. Dann hätte diese Agota nicht auch noch frieren müssen. Aber es war ein unsinniger Gedanke, das wusste er selber.
    »Pestallozzi«, sagte Grabner endlich, »Sie sind mein bester Mann. Vergessen Sie alles, was auf Ihrem Schreibtisch herumliegt, und klären Sie mir diese, dieses, diesen …«, der Präsident suchte nach Worten, dann gab er es auf, »… diesen Fall. Mit der allergrößtmöglichen Diskretion, aber das brauche ich Ihnen ja nicht extra zu sagen. Das wär’s dann wohl fürs Erste.«
    Grabner nickte seinem Chefinspektor zu, die Unterredung war beendet. Aber Pestallozzi hatte noch ein Anliegen. »Sie haben vorhin im Zimmer vom Leo etwas von Fragen der besonderen Art gesagt, die der Kardinal erwähnt hat. Was hat er damit gemeint?«
    Grabner seufzte und musterte seine Fingernägel. »Das weiß ich auch nicht so genau. Irgendetwas mit Schwarzarabien.«
    »Schwarzarabien?«
    »Jetzt schauen Sie mich nicht so an, Pestallozzi! Ich weiß auch nicht mehr. Der Herr Kardinal hat nur

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