Kalter Weihrauch - Roman
und rieb sich die Hände. »Kalt heute, was? Ich hab schon Tee gekocht!«
Sie folgten ihm in sein Reich, denn als dieses empfand es ihr Gastgeber ganz eindeutig. Alles war ordentlich aufgeräumt, zwei Sessel waren vor dem größeren Schreibtisch bereitgestellt. »Bitte, Kollegen, nehmt’s Platz! Der Gmoser ist gerade auf Inspektionstour. Der Wald, ich meine, der Tatort ist ja seit gestern abgesperrt, aber wir passen trotzdem auf, dass sich da nicht ein paar von den Gaffern umschauen wollen!«
Sie setzten sich, Krinzinger stellte zwei Henkelbecher mit heißem Wasser und Teebeuteln vor sie hin. »Milch und Zucker? Vielleicht einen Schuss Schnaps zum Aufwärmen?«
Aber Pestallozzi und Leo schüttelten nur den Kopf, Krinzinger ließ sich endlich ebenfalls auf seinem Drehsessel hinter dem Schreibtisch nieder. »Das war vielleicht eine Nacht! Ich bin erst um vier ins Bett gekommen!«
Leo ließ seinen Teebeutel kreisen und verkniff sich jeden Kommentar.
»Wir waren ja gestern noch im Kloster, der Leo und ich«, sagte Pestallozzi. Er hielt den heißen Becher mit beiden Händen. »Die junge Frau ist mit fast 100-prozentiger Sicherheit eine Postulantin, also so eine Art Novizin aus diesem Haus. Sie kommt aus Ungarn und heißt Agota mit Vornamen. Mehr werden wir in einer Stunde wissen, davon gehe ich jedenfalls aus. Und sie ist erstickt worden, höchstwahrscheinlich mit einem Kissen. Mit einem Kissen, das mit getrockneten Kräutern gefüllt war.«
»Maria und Josef«, sagte Krinzinger. Dann schwieg er und versuchte offensichtlich sein Bestes, diesen Schwall an Informationen zu verdauen.
»Kommen die Schwestern eigentlich zur Kirche?«, fragte Pestallozzi. Die Glocken hatten endlich aufgehört zu läuten.
»Nie«, Krinzinger schüttelte den Kopf. »Die haben dort oben ihre eigene Kapelle. Aber unser Pfarrer fahrt manchmal hinauf, zu den hohen Feiertagen, und feiert mit ihnen die Messe.«
»Was ist denn das für einer, euer Pfarrer?«
»Eigentlich ein ganz netter Kerl. Ein bissel jung halt. Und von drüben kommt er, aus Polen. Aber man muss heutzutage ja froh sein, wenn man überhaupt noch einen Pfarrer hat in der Gemeinde für die Taufen und die Hochzeiten. Und für die Begräbnisse natürlich. Und für die Gottesdienste am Sonntag. Bei uns ist die Kirche immer gesteckt voll.«
Pestallozzi nickte. »Eine brave, anständige Gemeinde also, die du da hast, Friedl. Gibt’s eigentlich auch ein Bordell in der Gegend?«
Krinzinger war sichtlich erschrocken über den Themenwechsel. »Also, na ja, bei uns da direkt eigentlich nicht, aber hinter Ischl, da gibt’s das Roxy, das fallt aber zum Glück nicht mehr in unseren Bereich.«
»Und was gibt’s da alles so?«
»Na alles halt. Ich mein, Frauen halt. Ich war ja noch nie dort. Nicht einmal bei einer Razzia.« Bezirksinspektor Gottfried Krinzinger knöpfte sich den obersten Knopf seiner Uniformjacke auf.
»Auch aus dem Osten, nehme ich mal an?« Pestallozzi blieb hartnäckig und völlig gelassen.
»Genau, aus dem Osten, hab ich jedenfalls gehört. Früher hat es dort auch Negerinn…, ich meine, Schwarze gegeben, aber dann war da so eine Geschichte, dass die nicht ganz freiwillig gearbeitet haben. Jetzt haben die aus Ischl ein Auge darauf.«
Und die aus dem Osten arbeiten natürlich freiwillig im Roxy, dachte Pestallozzi. Weil das so ein toller Job ist. Aber er wollte seine Erbitterung nicht am braven Krinzinger auslassen, der schwitzte sowieso schon Unbehagen und Entrüstung aus allen Poren. Wie alle braven Ehemänner, wenn das Thema Prostitution zur Sprache kam. Am Stammtisch war das natürlich was anderes.
»Nichts für ungut, Friedl«, sagte Pestallozzi, »ich weiß, dass dir meine Fragen komisch vorkommen. Aber mir geht so einiges durch den Kopf.«
»Versteh schon«, sagte Krinzinger und versuchte, möglichst verständnisvoll dreinzuschauen. Wie lang will der Chef hier noch unsere Zeit verschwenden, dachte Leo. Der Krinzinger hat doch keine Ahnung von Tuten und Blasen. Der schafft’s gerade noch, eine Wirtshausrauferei zu schlichten. Aber für alles andere …
»Sag mal, Friedl, weißt du, was Schwarzarabien sein könnte?«, fragte Pestallozzi.
»Freilich. Das weiß doch jeder!«
Wie bitte? Leo hätte sich beinahe am heißen Tee verschluckt. Er selbst hatte auf Anweisung vom Chef dieses verdammte Schwarzarabien noch gegoogelt, bevor sie losgefahren waren. Ohne jedes Ergebnis, niente, nixda, starten Sie eine neue Suchanfrage. Und ausgerechnet der
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