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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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schlichten Grab. Im Tod war er endlich bescheiden geworden, wie so viele, die zuvor geherrscht hatten mit eiserner Hand. Und der Karajan hatte über Salzburg geherrscht, viele Jahre lang, wie früher die Erzbischöfe. Und er hatte den Ruhm und den Reichtum der Stadt gemehrt, das musste man ihm schon lassen. Da konnte man auch ein Auge zudrücken und nobel darauf vergessen, dass der Karajan in seinen jungen Jahren gleich zweimal in die NSDAP eingetreten war. Aus lauter Sorge, dass die erste Anmeldung vielleicht verschlampt worden sein könnte. Und auch später hatte er nie einen Funken von Reue gezeigt über diese Haltung. Ganz im Gegenteil. Ich würd’s genauso wieder machen, hatte er kühl einem Interviewer geantwortet, viele Jahre später. Und der Karl Böhm erst, der andere Dirigent. Der so grauenvolle Briefe an den ›Führer‹ geschrieben hatte, in denen er die Juden …
    »Chef?«
    Leo sah ihn an, erwartungsvoll um Lob heischend, ein bisschen verunsichert. Wo sich der Chef wohl wieder einmal hingebeamt hatte in Gedanken?
    Pestallozzi holte tief Luft, dann war er zurück im Polizeipräsidium an der Alpenstraße, in Leos Büro, wo es nach Pizzaschnitte roch.
    »Super gemacht, ehrlich«, sagte Pestallozzi. Leo versuchte, bescheiden dreinzuschauen, es gelang ihm nur mäßig. Dann blickten sie beide wieder auf den Computer, wo ein schönbrunnergelbes Anwesen mit grünen Fensterläden fast den ganzen Bildschirm ausfüllte. Residenz Luisenhof stand in goldener Schnörkelschrift darüber und in der Zeile darunter: Ihre schönsten Jahre haben gerade erst begonnen. In diesem Schwurbelton ging es dann weiter. Genießen Sie die prachtvolle Umgebung und die luxuriöse Atmosphäre unseres Hauses. Unser Personal ist Tag und Nacht für Sie da. Wählen Sie täglich aus drei verschiedenen Menüs, die schonend und salzarm nach den neuesten Erkenntnissen der Bioküche von unserem Chefkoch zubereitet werden. Entspannen Sie in unserer angeschlossenen Wellnesslandschaft , blablabla. Ein Altersheim für reiche Knacker, da konnten die auf ihrer Website um den heißen Brei herumreden so viel sie wollten. Aber vom Feinsten.
    »Die nehmen dort 4.500 Euro im Monat«, sagte Leo beinahe ehrfürchtig. »Kannst du dir das vorstellen, Chef? Und das ist nur die unterste Kategorie, das hat mir diese Tussi vom Empfang erklärt. Dafür bekommt man bloß ein Zimmer mit Bad. Wenn man eine Suite haben will, so heißt das dort, wie im Hotel, dann legt man noch einmal einen Tausender drauf. Und für die Dachwohnungen mit Terrasse, also da muss ich mich einfach verhört haben. Das gibt’s doch nicht, wer hat denn so viel Geld, wenn er alt ist?«
    Pestallozzi zuckte mit den Achseln. Unwichtig. Aber die entscheidende Frage war von Leo geklärt worden, der hatte wirklich ganze Arbeit geleistet, während er selbst nur den Tag vertrödelt hatte.
    »Und du bist dir ganz sicher, dass deine Gesprächspartnerin unseren Mann gemeint hat?«
    Leo nickte. »Hundertpro. Die alte Steinfeldt wird jeden zweiten Mittwoch von ihrem Sohn besucht. Am Tag vorher geht sie immer zum Friseur am Kurpark. Und wenn ihr Johannes kommt, müssen die aus der Küche jedes Mal extra einen Mohnstrudel für ihn backen, weil er den so gern isst. Die alte Steinfeldt muss ein echter Drachen sein, da bin ich mir ziemlich sicher. Das hat man der Stimme von der Rezeptionstussi richtig angemerkt. Obwohl die sich natürlich bedeckt gehalten hat. War nur so mein Eindruck.«
    Er tippte auf die Tastatur, und ein großformatiges Porträt von Dr. Johannes Steinfeldt erschien. Inhaber der Steuerberatungskanzlei Steinfeldt & Steinfeldt gemeinsam mit seiner Frau, 45 Jahre alt, eine Tochter, wohnhaft in Anif.
    »Arme Sau«, sagte Leo.
    Pestallozzi war verblüfft. »Wie kommst du denn darauf?«
    Leo zuckte mit den Schultern. »Weiß auch nicht. Aber der sieht doch aus, als ob er noch nicht viel Spaß im Leben gehabt hätte.«
    Sie starrten auf den Bildschirm. In der Tat, Steinfeldt sah aus wie einer der Zahnärzte aus den Werbespots für Gebissreiniger. Ein blasser, unscheinbarer Brillenträger, den man sofort wieder vergaß. Und ausgerechnet mit dem sollte sich die Suse eingelassen haben? Die hübsche, freundliche, dralle Suse? Was hatte ihre Mitbewohnerin, die Marion Kaserer, erzählt? Dass die Suse genug gehabt hatte von den komplizierten Typen, von denen man immer nur ausgenutzt wurde. Und dass es sie gerührt hatte, dass ihr Verehrer seine alte Mutter besuchen fuhr. Mit so fürsorglichen Männern

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