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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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hatte sie wohl eher selten zu tun gehabt. War sie deshalb zu vertrauensselig geworden? Suse, wo bist du da hineingeraten, dachte Pestallozzi.
    »Übermorgen soll er wieder kommen«, sagte Leo, »immer am frühen Nachmittag. Er hat den Besuch bei seiner Mutter noch kein einziges Mal versäumt, in drei Jahren nicht.«
    »Dann werden wir auf ihn warten«, sagte Pestallozzi. »Aber nicht in diesem Luisenhof, sondern auf der Bundesstraße, ich muss mir noch genau überlegen, wo. Der soll wirklich vollkommen überrumpelt sein.«
    »Und das willst du wirklich riskieren? Dass wir bis übermorgen warten? Sollen wir nicht gleich hinaus nach Anif fahren?«
    Aber Pestallozzi schüttelte den Kopf. »Der läuft uns nicht weg. Alles, was der noch hat – vorausgesetzt, er war es wirklich – das ist sein festgefügtes Leben, sein Alltag. Der muss jetzt einfach weitermachen, als ob nichts geschehen wäre. Das ist seine einzige Chance. Aber gib auf alle Fälle eine Meldung an die Flughäfen hinaus.« Leo nickte. Restlos überzeugt schien er allerdings nicht.
    Was für eine Parallele zum Loibner, dachte Pestallozzi. Zwei Verdächtige, die von ihren Bindungen und Verpflichtungen festgekettet waren. Der eine auf seinem Hof, auf dem er sich abrackerte, der andere in seinem noblen Leben in Anif. Nur, dass er den Loibner für unschuldig hielt. Der war einzig wegen seiner Hilfsbereitschaft in die Sache hineingeschlittert, und er, Pestallozzi, würde ihn dafür nicht brandmarken für den Rest seines Lebens. Aber der andere, dieser Steinfeldt … Das Kribbeln war wieder da, endlich. Pestallozzi hätte am liebsten mit den Fingern geknackt so wie Leo. Das Gefühl von Taubheit, von Ratlosigkeit, das ihn in den vergangenen Tagen gelähmt hatte, war endlich vorbei.
    »Gut gemacht!« Er klopfte Leo auf die Schulter und stand auf. Die Rückenschmerzen waren fast verschwunden. Oder hatte er sich einfach nur daran gewöhnt? »Bis morgen dann!« Er nickte dem jüngeren Kollegen zu, der hochzufrieden mit sich und der Welt dasaß, und ging in sein eigenes Zimmer. Es war ein langer Tag gewesen. Er griff nach seinem Mantel, der wie ein feuchter Lappen über dem Sessel hing. Sobald dieser Fall gelöst war, würde er sich einen neuen Mantel kaufen, heiliges Ehrenwort! Auch wenn er das Einkaufen von Kleidung und Schuhen hasste wie die Pest! Weshalb er sich ein paar Modelle zugelegt hatte, die er in regelmäßigen Abständen einfach nachkaufte, ohne lang herumprobieren zu müssen. Schwarze Jeans und gestreifte Hemden, schwarze Mokassins. Drei graue Sakkos zum Wechseln. Als seine Lieblingshemden im vergangenen Jahr plötzlich nicht mehr angeboten wurden, war das eine mittlere Katastrophe gewesen. Ob er sich einen neuen Mantel im Internet bestellen sollte? Er ließ die Tür zu seinem Büro zufallen und ging zum Aufzug.
    Und da stand er, der Woratschek. Pestallozzi schloss eine Zehntelsekunde lang die Augen, aber der Woratschek ließ sich nicht ausblenden.
    »Ah, Kollege Pestallozzi! Ich habe bereits am Nachmittag beim Herrn Polizeidirektor nachgefragt, ob es endlich Neuigkeiten gibt. Er hat sehr bedauert, dass offenbar …«
    Pestallozzi drückte auf den Abwärtsknopf. »Wir kommen voran.«
    »Darüber würde ich aber gern auf dem Laufenden gehalten werden, Herr Kollege. Auch gibt es neue Erkenntnisse von meiner Seite, nachdem ich mir noch einmal sehr sorgfältig die bisherigen Unterlagen angesehen habe. Die eher dürftigen Unterlagen, um es offen auszusprechen. Ich würde Sie deshalb morgen in mein Büro bitten.«
    Was für ein Angeber! In sein Büro! Damit konnte ja wohl nur das schrankgroße Zimmer vom jungen Quendler gemeint sein, in das man den Woratschek dazu gezwängt hatte. Endlich kam der Aufzug. Pestallozzi machte einen Schritt nach vorn, Woratschek blieb zurück. Offenbar verspürte er wenig Lust auf eine gemeinsame Fahrt ins Erdgeschoss, ein ausnahmsweise sympathischer Zug von ihm. Aber eine letzte Ansage im Befehlston musste natürlich sein: »Also dann, Kollege. Morgen Vormittag bei mir.«
    Pestallozzi wandte sich um und neigte den Kopf. Das konnte alles heißen. Selbstverständlich, Herr Doktor! Aber gern, Kollege! Leck mich, Woratschek!
    Die Tür surrte zu, und er fuhr hinunter. Von der Mordkommission ins normale Leben sozusagen. Zwei müde Streifenpolizisten trotteten vorbei und salutierten, der Kollege von der Anmeldung winkte ihm zu. »Na, gemma noch auf einen Punsch?«
    Pestallozzi lächelte und schüttelte den Kopf, dann stand er

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