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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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draußen auf der Alpenstraße. Einen Punsch trinken, was für eine Idee! Andererseits, warum eigentlich nicht? Denn was war die Alternative? Nach Hause fahren und sich eine Dose Sardinen und ein Bier aufmachen? Die Nachrichten aufdrehen und sich wieder einmal grün und blau ärgern über den ganzen Müll, der aus dem Kistl quoll und einem nur die eigene Hilflosigkeit unter die Nase rieb?
    Ein Streifenwagen hielt beinahe vor seinen Schuhspitzen, der Mann am Beifahrersitz ließ das Fenster hinunter: »Können wir Sie ein Stück mitnehmen, Herr Chefin­spektor?«
    Pestallozzi zögerte, aber nur einen Moment lang: »Fahrt’s ihr in die Stadt? Dann könnt’s mich irgendwo bei der Staatsbrücke rauslassen! Aber nur, wenn es keine Umstände macht!«
    »Das passt schon. Wir müssen sowieso zu einem Raufhandel bei der Müllner Kirche!«
    An der Ecke zur Linzergasse ließen sie ihn hinaus, dann preschten sie weiter, er sah ihnen nach. Ein Raufhandel bei der Müllner Kirche, das konnte einfach eine b’soffene G’schicht sein, die sich rasch schlichten ließ. Oder aber ein brutaler Kampf, bei dem die Kollegen Kopf und Kragen riskierten. Immer öfter wurden in letzter Zeit Polizeibeamte tätlich attackiert, wurden bespuckt, getreten, gebissen und verletzt, bekamen im schlimmsten Fall sogar ein Messer in den Bauch. Das war den Zeitungen dann höchstens eine kleine Notiz im Chronikteil wert. Pestallozzi sah dem Wagen nach, dann stellte er den Kragen hoch und ging über die Staatsbrücke hinüber in die Altstadt, durch die kleine Gasse hinauf zum Alten Markt. Das Gedränge wurde immer dichter. Am liebsten hätte er umgedreht. Ein Punsch nach Büroschluss, was für eine Schnapsidee! Grölende Jugendliche mit blinkenden Plüschgeweihen auf dem Kopf verstopften die Judengasse, vor dem Dom wurde es beinahe beängstigend. Pestallozzi wurde geschubst und eingezwängt, es roch nach Wein und Schnaps, aus allen Richtungen schienen Weihnachtslieder zu klingeln und zu scheppern. Er zwängte sich zwischen zwei Standeln hinaus aus dem Menschenstrom und atmete tief durch. Wenigstens ein paar Maroni wollte er sich noch gönnen und dann nach Hause fahren. Eine Dose Sardinen und eine Flasche Bier erschienen ihm plötzlich als verlockende Köstlichkeit. Er erstand ein Stanitzel beim Maronibrater vor dem Dom, die Maroni waren so heiß, dass er sich beinahe die Finger verbrannte. Er pustete ärgerlich darauf.
    »Herr Pestallozzi? Was für eine Überraschung!«
    Er drehte sich um, die Stimme der Frau hatte sich mühelos über den Lärm rundum erhoben, obwohl sie nur leise und spöttisch gesprochen hatte. Sie hatte ihn schon bei ihrem ersten Treffen an eine Katze erinnert, es fiel ihm ganz unvermutet wieder ein. Im letzten Sommer, als er sie gemeinsam mit Leo einvernommen hatte. Na ja, von einer Einvernahme hatte man nicht wirklich sprechen können. Eher von einer Unterhaltung, die am Anfang skeptisch und abwägend von beiden Seiten geführt worden und dann immer ehrlicher geworden war. Und schon damals hatte sie ihn an eine Katze erinnert, mit ihren trägen und plötzlich wieder raschen Bewegungen, mit ihren schrägen, dunkel umrandeten Augen. Jetzt im Winter, in einem dunkelgrünen Umhang mit pelzverbrämter Kapuze, sah sie aus wie eine der Katzen aus diesem Musical, in das ihn seine Exfrau vor zig Jahren in Wien geschleppt hatte. Cats , genau. Und die Katzen hatten dämliche Namen wie Grisabella oder so ähnlich getragen. Die hier heute Abend und ihm direkt gegenüber hieß Henriette Gleinegg, und er fand sie zu seiner eigenen Überraschung einfach umwerfend. Er hielt das dämliche Maronistanitzel in der Hand und verbeugte sich so lässig wie möglich: »Guten Abend! Die Überraschung ist auf meiner Seite! Eine sehr angenehme Überraschung übrigens!« Du lieber Himmel, was laberte er da bloß daher? Und wohin jetzt mit den Maroni? In die Taschen von seinem unmöglichen ausgebeulten Mantel, der an ihm hing wie ein Putzlappen? Henriette Gleinegg sah ihm ungerührt bei seinen unbeholfenen Manövern zu. Endlich hatte er die Maroni verstaut. Oder hätte er ihr eine anbieten sollen? Natürlich, was für ein …
    »Vom Glühwein hier kann ich nur abraten«, sagte die Gleinegg mit ihrer heiseren Stimme. Genau, sie hatte ja geraucht wie ein Schlot. »Das ist nur so ein picksüßes Gesöff. Aber der Ingwerpunsch ist halbwegs trinkbar.« Sie sah ihn an, ihr Gesicht war beschattet von der übergroßen Kapuze. Rund um sie beide tobte die Vorhölle vom

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