Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
Geschichte sollte er ihr dann erzählen? Die Wahrheit? Wie alles angefangen hatte damals in diesem ungarischen Kaff? Dass er sich doch nichts hatte zuschulden kommen lassen? Außer …
    Er war unten am See angelangt, ganz in Gedanken versunken, wo nur mehr wenige Hütten standen. Die Händler saßen dick eingemummt hinter ihren Pyramiden aus eingeschweißtem Speck und Früchtestollen. Und die Krippe mit den geschnitzten Figuren stand hier, Maria und Josef und die Hirten, die aussahen wie Holzfäller. Der Trog, auf den sie alle blickten, war mit Zweigen und Zapfen gefüllt, erst am 24. würde der kleine Jesus vom Herrn Pfarrer hineingebettet werden. Und endlich würde Stille einkehren.
    Er sah zur Laterne hinaus, deren Schein sich in den dunklen Wellen spiegelte. So viele hatte er gekannt, die nicht gewartet hatten, bis der Sensenmann sie endlich fand, sondern die selbst ein Ende gemacht hatten. Aber das war keine Lösung. Nicht für ihn. Er wollte nur weg von hier. Sie sollten ihn endlich holen kommen und wegbringen von den Gesichtern, in die er nicht mehr schauen, von den Gesprächen, die er nicht mehr ertragen konnte. Damit die Ereignisse ein Ende fanden, die sich aneinander fädelten wie eine dunkle Kette, seitdem er in Ungarn gewesen war. Wo alles so trügerisch harmlos begonnen hatte. Ein Kongress eben, wie schon so viele, an denen er teilgenommen hatte. Diesmal in Budapest. Entwicklung von überregionalen Konzepten für Ganzjahresdestinationen in Ungarn, Österreich und Slowenien. Wie großkotzig das klang. Alle waren sie dagewesen, die Bürgermeister und Hotelmanager und Tourismusdirektoren, die Architekten und Werbefritzen, von denen sich jeder Aufträge erhoffte, sogar zwei Minister, die gleich nach den Eröffnungsreden und dem Galadiner wieder abgereist waren. Und er wäre am liebsten mitgefahren. Am Abend hatte es dann das unvermeidliche gemütliche Beisammensein gegeben. Die Bar in dem 5-Sterne-Hotel, in dem sie alle logierten, war zum Brechen voll gewesen mit Männern, die sich benahmen wie Maturanten in Bodrum, und mit Nutten. Schon bald waren die ersten Paare verschwunden unter den anfeuernden Zurufen der angeheiterten Meute an der Theke. Einer hatte sich ganz besonders hervorgetan: Ferdinand Oslip, Hotelier nach eigenen Angaben. Runden hatte der geschmissen und jedem auf die Schulter geklopft. Und irgendwann war er mit dem Vorschlag herausgerückt, die Freunde aus Salzburg sollten nach Ende vom Kongress doch noch auf einen Abstecher bei ihm vorbeischauen, irgendwo in so einem Ort an der Grenze, natürlich als seine Gäste. Die anderen waren gleich ganz begeistert gewesen, der Hermann und der Luigi und der Othmar, und ihm war nichts anderes übriggeblieben als mitzumachen, um nicht als Spaßverderber dazustehen. Dann waren sie in diesem Kaff gelandet, und die Hotelanlage vom Oslip hatte sich als grelle Diskothek mit angeschlossenem Motel entpuppt. So was würd ich gern auch bei euch aufziehen, hatte der Oslip gesagt und schon wieder Champagner kommen lassen. Der Hermann hatte sich zweifelnd am Ohr gekratzt, und ihm selbst war ganz schlecht geworden. So was brauchten sie bestimmt nicht im Salzkammergut, so einen halbseidenen Zirkus. Aber dann hatte der Oslip für Stimmung gesorgt, das konnte der wirklich. Essen vom Feinsten, serviert von Thai-Mädchen in hautengen schillernden Gewändern. Dem Luigi waren fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Und nachher ab in die Disko. Die anderen hatten sich mit Champagner zugeschüttet und die ölglänzenden Frauenkörper angestarrt, die sich um Stangen räkelten und vor ihnen die Beine spreizten. So eine Dunkle, Herbe war an der Bar gestanden, der Oslip hatte den Arm um sie gelegt und ihnen allen zugegrinst. Das ist die Luna, die ist was ganz Spezielles, so was habt’s ihr bestimmt noch nicht gesehen! Na, wer traut sich? Aber so durchgeknallt war dann nicht einmal der Luigi gewesen. Die Drinks waren immer härter geworden, nur er selbst war beim Bier geblieben. Der Luigi hatte ihn angegrinst. Jetzt sei doch locker, unsere Weiber zu Haus wissen eh von nix. Dann hatte der Luigi wieder auf Nippel und gepiercte Muschis geglotzt, und er war hinausgegangen. Durch einen langen schmalen Gang, an den Toiletten vorbei. Dann war er endlich draußen gestanden an der frischen kühlen Luft in einem Hof, in dem gerade Paletten mit Getränkedosen von einem Lastwagen abgeladen wurden. Männer hatten stillschweigend mit Zigaretten im Mundwinkel gearbeitet, und Buben waren

Weitere Kostenlose Bücher